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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Krawatten. Ein Mann mit einem dezenten, konservativen Geschmack, bis hin zur Unterwäsche. Ein Mann, der eine Frau in den Wahnsinn treiben konnte, weil sie nie wusste, woran sie mit ihm war; weil sie nie sicher sein konnte, ob wirklich irgendwo in diesem grauen Anzug ein Herz schlug.
    Sie riss sich los und ging weiter. Konzentrier dich, verdammt noch mal! Ein Geschenk für Frankie. Ein Buch? Da fielen ihr auf Anhieb ein paar passende Titel ein. Die Benimm-Fibel für das moderne Arschloch. Zu schade, dass es das noch nicht gab; das wäre sicher ein Renner. Sie klapperte ein Regal nach dem anderen ab und suchte und suchte.
    Und dann blieb sie plötzlich stehen. Ihre Kehle krampfte sich schmerzhaft zusammen, und ihre Finger wurden taub, so fest hielt sie den Griff des Einkaufswagens gepackt.
    Sie starrte auf die Regale mit den Babysachen. Sah kleine Flanell-Strampelanzüge mit aufgestickten Entchen. Fäustlinge und Stiefelchen wie für Puppen, Pelzmützchen mit Troddeln. Stapel von blauen und rosa Babydecken für Neugeborene. Ihr Blick blieb an diesen Decken haften, und sie musste daran denken, wie Camille ihr totes Kind in hellblaue Wolle gewickelt hatte, wie sie es mit der Liebe und Trauer einer Mutter in den weichen Stoff gehüllt hatte, als könnte es die Kälte noch spüren.
    Das Handy hatte schon einige Male geläutet, ehe das Geräusch sie aus ihrer Trance riss. Sie nahm es aus der Handtasche und murmelte noch halb benommen: »Rizzoli?«
    »Hallo, Detective. Hier ist Walter DeGroot.«
    DeGroot arbeitete in der DNA-Abteilung des kriminaltechnischen Labors. Normalerweise war es Rizzoli, die ihn anrief, um ihm Feuer unterm Hintern zu machen, weil sie dringend irgendwelche Testergebnisse brauchte. Aber heute reagierte sie auf seinen Anruf mit merklich gedämpftem Interesse.
    »Was haben Sie denn für mich?«, fragte sie, während ihr Blick zurück zu den Babydecken wanderte.
    »Wir haben die DNA von der Frauenleiche mit der des Babys verglichen, das Sie im Teich gefunden haben.«
    »Und?«
    »Das Opfer, Camille Maginnes, ist definitiv die Mutter dieses Kindes.«
    Rizzoli stieß einen müden Seufzer aus. »Danke, Walt«, murmelte sie. »Damit hatten wir gerechnet.«
    »Moment. Das ist noch nicht alles.«
    »Was denn noch?«
    »Damit haben Sie bestimmt nicht gerechnet. Es geht um den Vater des Babys.«
    Schlagartig hatte sie nur noch Ohren für Walt, für das, was er ihr zu sagen hatte. »Was ist mit dem Vater?«, fragte sie gespannt.
    »Ich weiß, wer es ist.«

18
    Rizzoli fuhr und fuhr, bis der Nachmittag in die graue Abenddämmerung überging, und sie sah die Straße vor sich durch einen flimmernden Schleier der Wut. Die Geschenke, die sie gerade gekauft hatte, lagen kreuz und quer auf der Rückbank verstreut, zusammen mit Geschenkpapier, Bändern und Schleifchen, doch der letzte Rest von Weihnachtsseligkeit war ihr abhanden gekommen. Ihre Gedanken kreisten stattdessen um ein junges Mädchen, das barfuß durch den Schnee ging. Ein Mädchen, das schmerzhafte Erfrierungen in Kauf nahm, ja suchte, nur um die Qualen ihrer Seele vergessen zu machen. Aber nichts konnte das heimliche Leid dieses Mädchens aufwiegen, auch noch so viele Gebete und Selbstgeißelungen konnten ihre ungehörten Schmerzensschreie nicht zum Verstummen bringen.
    Als Rizzoli endlich zwischen den Granitsäulen hindurch in die Einfahrt von Camilles Elternhaus bog, war es fast fünf Uhr, und ihre Schultern schmerzten von den Strapazen der langen Fahrt. Sie stieg aus und atmete eine Lunge voll prickelnder Salzluft ein. Dann ging sie die Stufen hoch und läutete.
    Maria, die dunkelhaarige Haushälterin, öffnete ihr die Tür. »Mrs. Maginnes ist leider nicht zu Hause, Detective. Werden Sie erwartet?«
    »Nein. Wann ist sie denn zurück?«
    »Sie ist mit den Jungen zum Einkaufen gegangen. Sie dürfte zum Abendessen zurück sein. So in einer Stunde, denke ich.«
    »Dann warte ich auf sie.«
    »Ich weiß nicht recht ...«
    »Ich leiste einfach Mr. Maginnes ein wenig Gesellschaft, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Widerstrebend ließ Maria sie ein. Eine Frau, die es gewohnt war, sich den Wünschen anderer zu beugen, würde einer Vertreterin des Gesetzes kaum die Tür vor der Nase zuschlagen.
    Maria musste Rizzoli nicht den Weg zeigen. Sie ging den Flur entlang, über das immer noch glänzende Parkett, vorbei an den bekannten Seegemälden, und betrat den Seesalon. Der Blick über die Bucht von Nantucket verhieß nichts Gutes; die vom Wind aufgewühlten

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