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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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schwach und zerbrechlich wie ein kleines Vöglein, aber ich kann noch heute den festen Griff ihrer Hand spüren. ›Bitte, Claire, bitte.‹ Es hat mich fast umgebracht, sie so leiden zu sehen, aber ich konnte ihrem Leben kein Ende bereiten. Ich habe ihr die vorgeschriebene Dosis Morphium gespritzt und gewartet, bis sie eingeschlafen war. Dann bin ich aus ihrem Zimmer gegangen und habe für dich ein Lächeln angeknipst. ›Sie ist eingeschlafen!‹, grinste ich dich an, als wäre alles in bester Ordnung. Dann ging ich in die Küche und rief Larry an. ›Ich brauche deine Hilfe‹, flehte ich ihn an. ›Allein schaffe ich das nicht.‹«
    »Und dann? Wie hat er reagiert?«
    »Er kam vorbei und dann standen wir an Moms Bett. Er weinte die ganze Zeit, schüttelte seinen Kopf und sagte immer wieder: ›Was soll ich tun? Was soll ich bloß tun?‹«
    »Wieso wirfst du ihm vor, dass er völlig überfordert war und nicht wusste, was er tun soll?«
    »Weil ich erst zwanzig war, Helen! Er war der Erwachsene, er hätte sagen müssen, was wir tun sollen. Es war nicht richtig von ihm. Es war nicht fair, dass ich alle Entscheidungen treffen musste.«
    »Aber du warst doch diejenige, die sich um Mom gekümmert hat.«
    »Trotzdem, ich konnte das alles nicht allein entscheiden, Helen. Ich hatte andauernd Angst, dass ich falsche Entscheidungen treffe. Ich hätte ihn gebraucht, damit er mir sagt, dass ich alles richtig mache.«
    »So habe ich das noch nie gesehen. Es tut mir so leid, Claire. Mir war schon klar, dass du alles erledigt hast, aber ich wusste nicht, dass du ganz allein mit deinen Entscheidungen warst.«
    »Nun gut, es ist schon lange her«, sagte Claire.
    »Dennoch. Es tut mir so leid, dass du dich um alles kümmern musstest.« Ich griff nach Claires Arm und drückte ihn. »Ich weiß, dass wir völlig unterschiedliche Erinnerungen an Mom und Dad haben.«
    »Zumindest erinnere ich mich an den Thunfischauflauf«, sagte Claire und ihre Züge wurden sanft, als sie sich an unsere schönen Zeiten erinnerte. »Kartoffelchips als Krönung obendrauf – einfach himmlisch.«
    »Tante Helen!«, rief Maura mir aus dem Wasser zu. »Komm doch auch rein!«
    Ich sah Claire an und wünschte, ich wäre nicht so ein erbärmlicher Angsthase. Doch dann beschloss ich, tapfer zu sein und in den sauren Apfel zu beißen. »Sobald ich aus dem Wasser bin, muss ich dir was sagen.« Sprach’s, stand auf und tat so, als hätte ich das Schwimmen erfunden.
    Ich sprang mit Maura, die ihre Beine um meine Hüfte geschlungen hatte, ins Wasser und schob sie durch das kühle glitzernde Nass, als wäre ich ein Motorboot. Ich warf sie in die Luft und fing sie wieder auf, noch bevor ihre Zehen ins Wasser eintauchten. »Mehr, mehr!«, kreischte sie. Wir vergnügten uns noch eine Weile im Wasser, bis es mir gelang, sie mit dem Versprechen aus dem Pool zu locken, uns am Eis- und Imbissstand etwas Leckeres zu gönnen. Als Maura dann zufrieden an ihrem Schokoeis lutschte und auf der Decke saß, sah Claire mich fragend an.
    Ich lächelte sie an und holte tief Luft. »Hör mir einfach nur zu, Claire. Es geht um Dad. Ich fahre schon eine ganze Zeit lang immer wieder zu seinem Haus.«
    Claire zog die Nase kraus, als läge ein übler Gestank in der Luft. »Er ist also wieder zurück aus Chicago.«
    »Ich habe seine Adresse aus dem Online-Telefonbuch«, sagte ich. »Ich habe seinen Namen einfach mal in den PC eingegeben. Er wohnt jetzt nur ein paar Blocks von unserem alten Haus weg.«
    »Und weshalb bist du
dorthin gefahren

    »Kann ich gar nicht sagen.«
    »Das muss du doch
wissen
, du bist doch ganz sicher nicht einfach nur so zu ihm gefahren.«
    »Ich war neugierig.«
    »Wie bitte?«
    »Ich wollte mit ihm reden, okay? Ich war in seinem Haus. Wir haben etwas getrunken und uns unterhalten. Er hat mir Dinge über Mom erzählt, die ich bis dato nicht wusste.«
    Claire schüttelte den Kopf. »Du spinnst doch!«
    »Er hat gut ausgesehen.«
    Claire stand auf und ließ ihre Maske fallen. »Ich werde mich garantiert nicht an dieser kleinen Wiedervereinigung beteiligen.« Sie streckte die Hand nach Maura aus, die noch immer ihr Eis genoss, und zerrte sie zu der Leiter, die ins Wasser führte. Ich folgte ihnen durch das seichte Wasser.
    »Er hat mir ein paar interessante Dinge erzählt«, presste ich zwischen dünnen Lippen hervor.
    Claire ignorierte mich, nahm Maura hoch und leckte das geschmolzene Eis von der Waffel ab.
    »Über die schöne Zeit, die sie miteinander

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