Tödlicher Ruhm
teilzunehmen. Ein echter Thriller! Eine allabendliche Krimiserie, mit einem echten Opfer, live und in Farbe...«
In dem Augenblick, als die Worte über ihre Lippen kamen, wurde ihr bewusst, was sie gesagt hatte. »Oh, na gut, dann meinetwegen ein totes Opfer, wenn ihr wollt. Entscheidend ist, dass es die größte Sendung aller Zeiten wird, und ihr seid die Stars! Kelly hat euch die Chance gegeben, das zu werden, was sie am allermeisten sein wollte: ein Star! Hört ihr, was ich sage? Wirklich, richtig berühmt, und um das zu werden, müsst ihr nur das Spiel weiterspielen.«
Geraldine sah in ihre Gesichter. Sie hatte gewonnen. Es hatte nicht lange gedauert.
Gemeinsam verfassten sie eilig eine Presseerklärung, die sie durchs Busfenster verkündeten, als sie wieder beim Haus ankamen. »Wir, die sieben verbliebenen Kandidaten von Hausarrest III, haben uns entschieden, unser soziologisches Experiment als Tribut an Kelly und ihre Träume fortzusetzen. Wir kannten Kelly und wissen, dass sie diese Sendung geliebt hat. Sie war ein Teil davon, und sie hat ihr Leben dafür hergegeben. Wir glauben, jetzt aufzugeben und alles wegzuwerfen, wofür sie gearbeitet hat, wäre eine Beleidigung des Gedenkens einer hübschen, jungen Frau, eines Menschen, den wir sehr, sehr geliebt haben. Hausarrest wird fortgesetzt, weil Kelly es so gewollt hätte. Wir tun es für sie. Haltet durch!«
»Scheiße, das war wunderschön, aber echt«, sagte Moon.
Plötzlich brach Sally in Tränen aus, und einen Moment später weinten sie alle. Außer Dervla. Dervla dachte an etwas anderes.
»Nur eins noch«, sagte sie, als der Bus eine Schneise durch die Menge schlug, die sich um das Peeping-Tom-Gelände versammelt hatte.
»Was?«, stieß Geraldine barsch hervor. Nachdem sie ihre Vereinbarung abgesichert hatte, wollte sie keine weiteren Diskussionen, besonders nicht mit der beschissenen kleinen Prinzessin Dervla.
»Angenommen, der Mörder schlägt noch mal...«
Geraldine dachte einen Moment lang darüber nach. »Das dürfte wohl kaum passieren, oder? Ich meine, kommt schon, ihr passt doch ab sofort gut auf, und so was wie mit dem Schwitzkasten machen wir nicht wieder. Keine dunklen Räume und irgendwelche Aktivitäten mehr, bei denen ihr alle dicht aneinander gedrängt seid. Nichts Enges, alles offen und gut einsehbar. Es würde euch echt Leid tun. Ich meine, stellt euch nur mal vor, was los wäre, falls es noch mal passieren sollte. Wie berühmt der Rest von euch dann wohl wäre!«
28. Tag 20:00 Uhr
Sie waren seit einer halben Stunde wieder im Haus, aber bisher hatte noch keiner ein Wort gesagt. Manche lagen auf den Betten, manche saßen auf den Sofas. Bisher hatte niemand die Toilette benutzt.
»Hier spricht Chloe«, hallte die Stimme aus den versteckten Lautsprechern durchs Haus. »Um die Spielstrukturen zu erhalten, haben wir beschlossen, Kellys Abwesenheit so zu behandeln, als wäre sie abgewählt worden. Deshalb muss in dieser Woche keiner mehr gehen. Als Belohnung und angesichts eures langen, ermüdenden Tages hat man euch etwas zu essen bestellt und im Schrank deponiert.«
Jazz stand auf. »Chinesisch«, sagte er, als er wiederkam.
Es war das einzige Wort, das im Haus gesprochen wurde, bis weit nach dem Zeitpunkt, als sie aufgegessen hatten.
Schließlich brach David das Schweigen. »Also hat einer von uns Kelly ermordet?«
»Scheint so«, erwiderte Moon.
Wieder herrschte Schweigen.
Auch im Monitorbunker schwieg man, während die Stunden zäh verstrichen.
Spätabends schlich Coleridge in den Bunker und setzte sich leise neben Geraldine, um sich anzusehen, wie die Sendung gemacht wurde. Als er etwas sagte, zuckte Geraldine zusammen.
»Sie wissen, dass ich Sie daran hätte hindern können, damit weiterzumachen, oder?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wieso Sie das wollen sollten«, gab Geraldine zurück. »Wie viele Polizisten haben wohl die Gelegenheit, ihre Verdächtigen so eingehend zu beobachten wie Sie? Normalerweise ist die Beute über alle Berge, wenn keine Anklage erhoben wird, die Spuren sind verwischt, die Geheimnisse vergraben. Falls diese Bande Geheimnisse hat, sollte sie sie lieber für sich behalten.«
»Ich hätte Sie am liebsten wegen moralischer Bedenken davon abgehalten. Das ganze Land sieht Ihre Sendung, weil man weiß, dass einer Ihrer Kandidaten ein Mörder ist.«
»Und nicht nur das, Inspector«, erwiderte Geraldine begeistert. »Sie sehen es sich auch an, weil immer die Möglichkeit besteht, dass es
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