Tödlicher Ruhm
sprechen, der dem Opfer sogar noch näher war. Zuallererst sieht er, wie Kelly aus dem Jungenzimmer kommt und nackt durch das Wohnzimmer zur Toilette läuft. Carlisle fängt diesen Augenblick wunderhübsch ein, wofür er Komplimente aus der Monitorbox erntet. Dann verschwindet Kelly in der Toilette, und Carlisle bekommt Anweisung, die Tür im Auge zu behalten, da weitere Nacktaufnahmen zu erwarten sind, wenn sie herauskommt.«
»Aber sie kommt nicht heraus.«
»Nein, weil er sie ermordet hat, Sir. Er könnte es ohne weiteres gewesen sein. Versetzen Sie sich in seine Lage. Er ist ein Mann, der blind vor Liebe ist, der von Anfang an seinen Job riskiert hat, seine Zukunft in der Branche, seine Ehe... vergessen Sie nicht, Sir, Carlisle ist verheiratet und hat Kinder. Für seine Liebe zu Dervla hat er alles aufs Spiel gesetzt...«
»Eine Liebe, die sich in seinem Hass gegen Kelly widerspiegelt«, warf Trisha ein. »Sehen Sie sich das an, Sir.« Sie hatte eine große Mappe mitgebracht, wie Kunstmaler oder Grafiker sie gewöhnlich benutzten, um ihre Arbeiten darin aufzubewahren. Darin befanden sich einige Fotos, die Gerichtsmediziner bei ihrer Arbeit auf der Rückseite des Spiegels angefertigt hatten.
Es war unmöglich, auf dem ersten Foto etwas Konkretes zu erkennen. Man sah nur eine verschmierte Oberfläche, auf der ein Finger mehrere Buchstaben übereinander geschrieben hatte. Dann holte Trish eine zweite Kopie des Fotos hervor und dann eine dritte, auf der die zuständigen Experten sich bemüht hatten, dem Durcheinander einen Sinn zu entlocken. Mit verschiedenfarbigen durchscheinenden Pastellfarben hatten sie mehrere Sätze nachgemalt, die manchmal klar zu erkennen waren und manchmal erraten werden mussten.
»Sehen Sie sich das hier an, Sir«, sagte Trish und deutete auf einen Satz, der in Rot nachgezeichnet war. »Nicht sehr nett, oder?«
26. Tag 8:00 Uhr
»Schlampe Kelly ist noch Nummer eins. Keine Sorge, Liebste. Ich beschütz dich vor der kleinen Nutte.«
Dervla streckte die Hand aus und wischte ärgerlich die Worte vom Spiegel. Mittlerweile fürchtete sie sich vor dem morgendlichen Zähneputzen. Die Botschaften waren mit der Zeit immer wütender und hässlicher geworden, aber sie konnte nichts sagen, weil sie fürchten musste, dass dann herauskam, wie tief sie in diese Sache schon verstrickt war. Natürlich ermutigte sie ihn nicht mehr. Sie sprach nicht mehr mit dem Spiegel und hatte sich das Hirn zermartert, wie sie dem Mann auf der anderen Seite sagen konnte, dass er aufhören sollte. Ihre einzige Idee wär es gewesen, Lieder mit mehr oder weniger viel sagendem Text zu singen.
»I don’t wanna talk about it.«
»Return to Sender.«
»Please release me, let me go.«
Aber es kamen immer mehr Botschaften, jede davon noch hässlicher als die vorhergehende.
»Ich schwöre dir, mein Schatz. Wenn ich könnte, würde ich sie für dich umbringen.«
45. Tag 15:10 Uhr
»>Wenn ich könnte, würde ich sie für dich umbringen<«, las Coleridge laut. »Tja, das klingt ziemlich belastend, oder?«
»Also steht er da«, fuhr Hooper drängend fort. »Der Mann, der diese Botschaft geschrieben hat, steht da, hält seine Kamera auf die Toilettentür gerichtet, wohlwissend, dass diejenige, die er so hasst, dahinter sitzt. Was tut er? Er stellt seine Kamera in der Position fest, die man ihm aufgetragen hat, schleicht den Schaumgang entlang, den Trockengang hinauf, durch die Luke in der Wand vom Jungenzimmer, nimmt sich vor dem Schwitzkasten ein Tuch, kommt verhüllt damit aus dem Schlafzimmer, und den Rest wissen wir. Wir sehen Carlisle durch den Wohnbereich laufen, um sich ein Messer aus der Küchenschublade zu holen. Wir sehen, wie Carlisle über Kelly herfällt und sie ermordet.«
»Na ja...«, brummte Coleridge argwöhnisch.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen, Sir. Ich weiß, ich weiß. Was ist mit dem Schlafzimmer? Das haben die Kameras doch auch im Blick...«
»Es ist mir in den Sinn gekommen, ja«, antwortete Coleridge.
»Wenn er das Zimmer durch den Trockengang betreten und am Schwitzkasten ein Tuch aufgesammelt hätte, dann hätten wir es gesehen. Haben wir aber nicht.«
»Und wir haben es nicht nur nicht gesehen, sondern wir haben ge sehen, wie jemand aus dem Schwitzkasten kam und das Tuch nahm.«
»Ja, Sir, aber nur auf dem Video. Keiner im Schwitzkasten konnte sich daran erinnern, dass ein Zweiter rausgegangen wäre. Also lügt einer... oder mehrere... oder alle.«
»Dem stimme ich zu.«
»Es sei
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