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Tödlicher Ruhm

Tödlicher Ruhm

Titel: Tödlicher Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Elton
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kreischte das hippe Mädchen.

    Wie unglaublich brutal all das war, dachte Coleridge, während er sein Bier trank und sich ansah, was dreieinhalb Wochen zuvor aufgenommen worden war. Der Mann auf dem Bildschirm hatte absolut keine Ahnung, dass man ihn verhöhnte und der Lächerlichkeit preisgab. Es war, als hätte sich das ganze Land in einen riesigen Schulhof verwandelt, und das Publikum wäre der Rabauke.

    »Genug davon«, sagte der Typ, den offenbar das schlechte Gewissen plagte. »Ich bin mir sicher, dass seine Mum ihn mag.«
    »Yeah. Respekt vor Davids Mum! Aber könnt ihr nicht bitte sagen, dass er sich die Haare schneiden soll?«
    »Und dass er aufhören soll, Gitarre zu spielen!«
    Das Interview ging zum unerwarteten Erfolg der dritten Staffel über.
    »Ihr habt es also den Nörglern und Nasen gezeigt, und die Sendung ist ein Riiiiiesenhit«, verkündete der Typ, »was eine echte Erleichterung sein muss, oder, Geri? Sag mir, dass ich Recht habe.«
    »Du hast absolut Recht«, erwiderte Geraldine, »und wenn ich kein Mädchen wär, könnten sie mich damit bei den Eiern kriegen. Ich hab jeden Penny, den ich besitze, reingesteckt. Meine Ersparnisse und meine Abfindung, die ich von der BBC bekommen habe. Ich bin die allein verantwortliche Leiterin von Peeping Tom Productions, mein Freund, und wenn es schief geht, kann ich nur mir selbst und niemand anderem die Schuld zuschieben.«
    »Wie waghalsig!«, schwärmte das Mädchen. »Das gefällt uns! Respekt!«
    »Das kannst du laut sagen, Kleine«, meinte Geraldine. »Ich hab einen gemütlichen Job als Controllerin bei BBC 1 aufgegeben, um das Hausarrest-Ding durchzuziehen, und alle Welt hat erwartet, dass die dritte Staffel auf den Arsch fällt.«
    »Yeah, Geri, du hast dich echt aus dem Fenster gehängt, als du bei der BBC gegangen bist«, sagte der hippe Late-Night-Typ. »Ich weiß, dass du oft als mögliche Intendantin gehandelt wurdest.«
    »Ja, ich glaube, sie wollten mir den Posten anbieten«, erklärte sie, »aber scheiß drauf, ich will Programm machen. Ich will nicht mein Leben damit verbringen, Politikern wie Billy in den Arsch zu kriechen. Dafür bin ich noch nicht erwachsen genug.«
    Die Kamera schwenkte zu Billy Jones hinüber, dem anderen Gast von The Clinic, der nachsichtig lächelte. Billy war der Kulturminister und hatte sich im Rahmen einer Regierungsstrategie zur Kontaktpflege mit der Jugend darauf eingelassen, in The Clinic aufzutreten.
    »Ich bedaure sehr, dass mir eine so charmante Dame wie Sie nie in den Arsch kriechen wird, Geraldine«, konterte Billy Jones und erntete einen Lacher.
    »Also, Billy«, sagte das Mädchen und wandte sich ihm mit ernster Miene zu. »Wie finden Sie denn Hausarrest ? Top-TV oder ein Haufen Scheiße?«
    »Oh, Hausarrest ist so was von Top-TV«, antwortete der Kulturminister. »Nie im Leben ein Haufen Scheiße.«
    »Und was ist mit den Leuten, die sagen, dass das Fernsehen immer dümmer wird? Dass wir mehr — keine Ahnung — Geschichtssendungen und so altmodisches Fernsehspielzeug brauchen?«
    »Na ja, sicher hat das ganze historische Zeug und der altmodische Fernsehspielquark seinen Platz, aber wir kommen nicht daran vorbei, dass Politiker, Lehrer und Sozialarbeiter auf die jungen Leute hören müssen, denn ich glaube kaum, dass Geschichte und all dieses Zeug für das, was junge Leute heute so interessiert, besonders relevant sein dürfte.«
    »Hört, hört!«, rief der hippe Late-Night-Typ. »Das gefällt uns!«
    »Denn unter uns gesagt«, fuhr Billy fort, »müssen sich Politiker und Lehrer und so darauf einstellen, worauf Kids wirklich stehen, wie zum Beispiel das Internet. Wir denken, dass das Web und das Internet von ungeheurer Bedeutung sind. Und natürlich auch diese geilen Reality-TV-Experimente wie Hausarrest.«

    Als die Show zu Ende ging und man die letzte Band ankündigte, war Coleridge eingeschlafen. Beim Aufwachen sah er einen schwitzenden amerikanischen Skinhead mit Shorts und flächendeckender Tätowierung, der ihn vom Bildschirm anbrüllte: »Ich bin nur ein dreckiger Haufen Menschenmüll!«
    Er kam zu dem Schluss, dass es Zeit wurde, zu Bett zu gehen. Geraldine hatte mit ihrer Sendung Glück gehabt, so viel stand fest. Im Grunde hätte sie ein Flop werden sollen.
    David dagegen hatte weniger Glück gehabt. Er war der Sündenbock, der Witz des Jahrhunderts, und Geraldine hatte ihn dazu gemacht. Hätte David das gewusst, wäre er vielleicht versucht gewesen, sich an Peeping Tom zu rächen, aber

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