Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Markus trinkt einen Schluck Kaffee, verzieht danach etwas angeekelt das Gesicht und erzählt, dass er gestern mit dem Direktor des Butzbacher Gefängnisses telefoniert habe. «Der Fichtenau hat sich während der ganzen Jahre nichts zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil, er hat zum Beispiel alle psychologischen Gesprächsangebote wahrgenommen. Selten habe man dort Straftäter mit einem besseren Gefühl in die Freiheit entlassen.»
Nun räuspert sich Teichner. «Ich sachs ja immer, aber ihr verdreht ja immer nur arrogant die Augen, wenn ich immer sach, dass die Mörder ein Leben lang eingesperrt gehörn. Aber das wollt ihr ja immer net …»
«Hören, Teichner, richtig, das wollen wir nicht hören», fällt ihm Markus schneidig ins Wort. «Henning, es tut mir leid», richtet er sich dann an mich und berührt meine Schulter, «aber wir müssen die Dinge auch beim Namen nennen dürfen, ohne allzu stark Rücksicht auf dich zu nehmen.»
Fragend blicke ich ihn an.
«Also ich vermute, Fichtenau hat deinen Vater getötet, die Leiche versteckt und ist nun überall, nur nicht hier in unserer Gegend.»
Ich schlucke. Eigentlich denke ich schon seit Tagen das Gleiche, doch diese Worte aus Markus’ Mund zu hören, das ist noch mal eine andere Hausnummer.
Direkt nach Dienstschluss simse ich Melina an, ob sie mit den Hunden gehen könne, dann würde ich direkt zu meiner Mutter nach Rudingshain fahren. Nur eine Sekunde nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, kommt schon die Antwort: «Ja.»
«Sag mal, was hast du denn mit ihr gemacht? Sie ist ja nicht wiederzuerkennen?»
Ich ziehe meine Schwester Ulrike in die Küche meiner Eltern, um mit ihr ein paar Worte zu wechseln, die nicht für meine Mutter bestimmt sind.
«Wieso? Was meinst du?», kokettiert Ulrike.
«Sie ist so ruhig, so, na wie soll ich sagen …»
«Bei sich, meinst du wahrscheinlich», beendet Ulli meinen Satz.
Gedankenlos öffne ich den Kühlschrank und suche nach irgendetwas, das ich früher mal gerne aß.
Es muss meiner Mutter guttun, dass Ulrike bei ihr ist. Anders kann man nicht begründen, warum sie so entspannt wirkt. Nicht durch Beruhigungsmittel ruhiggestellt, sondern wirklich entspannt. Wie macht sie das nur?
«Willste wissen, was ich gemacht habe?»
Stolz streckt mir meine Schwester ihre üppigen ungehaltenen Brüste entgegen.
«Ich habe mit ihr Entspannungsübungen gemacht, die ich selber entwickelt habe. Ich nenne meine Methode Mediyogajiatsu.»
Ulrike dehnt, während sie weiterspricht, ihren Rücken.
«Ich habe die besten Übungen aus den üblichen Fernost-Traditionals gemixt und in meine eigenen Ideen integriert.»
«Schön, dass es Mutter guttut», bemerke ich in der Hoffnung, dass sie nicht allzu sehr ins Detail geht.
Ulrike legt beide Hände auf meine Steinschultern und zwitschert, dass mir das auch guttäte.
«Nee, lass man.»
Ich greife, da ich nichts Besseres finde, im noch immer offen stehenden Kühlschrank nach einem Diät-Joghurt mit Erdbeergeschmack.
Während ich so löffle und meine dozierende Schwester beobachte, macht sich urplötzlich in mir so etwas wie Behaglichkeit breit. Dass sie da ist, gibt mir Ruhe. Merkwürdig, meine nervende Schwester. Nicht nur die Entlastung, meine Mutter betreut zu wissen, tut gut, sondern Ulli selbst ist, so, wie sie dasitzt und voller Kraft über ihre Therapiemethoden referiert, ein Stück vertraute Heimat.
Ich bin zu Hause, hier in diesem Moment, in dieser Küche, in diesem Elternhaus. Meine große Schwester ist wieder da, und ich fühle mich sicher. Ulrike und ich könnten verschiedener nicht sein, und dass wir in den vergangenen Jahren den Kontakt beiderseits so stark mieden, hat sicher seine Gründe. Doch sie ist und bleibt meine Schwester, sie sorgt sich um denselben komplizierten Vater wie ich.
Das Leben müsse weitergehen, sagt meine Mutter, und ich denke dabei unweigerlich an das Lebensmotto des serbohessischen Ex-Eintracht-Trainers Dragoslav «Stepi» Stepanović. Was es denn nütze, den ganzen Tag angstzerfressen zu Hause rumzusitzen, fügt Mutter hinzu.
Die vielen Spaziergänge mit Ulrike täten ihr gut und auch ihre Behandlungen. Sie könne sich ein Leben ohne tägliche Akupunkturbehandlungen gar nicht mehr vorstellen.
«Henning, du aber siehst schlecht aus. Reib dich nicht so auf, hörst du?»
Bin ich jetzt hier der Pflegefall? Diese Rolle will ich bei all der Sentimentalität weiß Gott nicht einnehmen.
Doch auf Ulrikes Frage, wie es denn zu Hause mit
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