Träum ich?: Roman (German Edition)
Armaturenbrett.
»Tja, dann sag ich wohl Gerry Bescheid, aber das wird ihr gar nicht gefallen.«
Gerry ist die Leiterin unserer Abteilung und normaler weise kommen wir gut miteinander aus. Aber ich weiß, jetzt könnte es Probleme geben.
»Stellen Sie mich durch, dann erkläre ich es ihr persönlich«, bitte ich und huste noch mal.
»Sie erscheinen hier auf der Stelle, sonst sind Sie gefeuert«, bellt Gerry. Ich will zwar protestieren, aber sie hat aufgelegt, noch bevor ich zum Husten ansetzen kann.
Damit kann ich mich jetzt nicht befassen. Soll sie mich doch feuern. Plötzlich ist der Mittelpunkt meines Lebens in den letzten zehn Jahren völlig unwichtig geworden.
Stattdessen muss ich unbedingt zu Gogos Haus und ihn suchen. Ich hab keinen blassen Schimmer, was ich zu ihm sagen soll, und hoffe nur, dass seine Frau nicht da ist. Während der gesamten Fahrt bete ich: »Bitte, lass Gogos Frau nicht da sein. Bitte, lass Gogos Frau nicht da sein!«
Ich halte vor seinem Haus, das bis zum Vortag auch mein Haus war. Ehrlich gesagt sieht es schöner aus als früher. Rosa und weiße Rosenbüsche säumen den Weg zur Haustür. Ich mag zwar lieber rote und orangefarbene, hab aber keine Zeit zum Gärtnern.
Ich gehe zur Haustür, drücke die Klingel und bete noch einmal: »Bitte, lass Gogos Frau nicht da sein«, da höre ich eine Frauenstimme: »Wer ist da?«
Wer ist da? Wer bin ich? , denke ich, bis die Frau noch mal fragt: »Wer ist da?«
»Äh, ja«, sage ich, da höre ich, wie der Schlüssel im Schloss gedreht und der untere Riegel nach rechts und der obere Riegel nach links geschoben wird.
Die Tür schwingt auf, und ich sehe eine Frau in meinem Alter, die einen pinkfarbenen Gymnastikanzug und ein Sweat shirt trägt. Ihre roten Haare hat sie zu einem Knoten auf dem Kopf zusammengebunden. Sie sieht aus, als wäre sie einem Achtziger-Jahre-Aerobic-Video von Jane Fonda entsprungen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie.
Ich muss zugeben, dass sie weder gemein noch zickig wirkt. Sie sieht aus wie ein normaler, bodenständiger Mensch in einem geschmacklosen Turnanzug. Was soll ich sagen?
»Äh, wohnt Gogo Goldblatt hier?«, stottere ich.
»Ja, aber er ist momentan auf der Arbeit«, erwidert sie. »Kann ich denn etwas für Sie tun?«
Ich werfe einen Blick in das Haus, das bis gestern noch meines war, doch heute zu dem Paralleluniversum gehört, in das ich hineingeraten bin. Statt unserer modernen cremefarbenen Ledercouch steht dort ein Sofa mit rosa Blumenmuster. Die einst schlicht weißen Wände mit den Schwarz-Weiß-Fotografien sind jetzt taubenblau. Ein Zierdeckchen prangt auf dem Sofatisch aus Birkenholz, wo früher unser schnittiger Tisch aus Glas und Metall stand. Kurz gesagt sieht es aus, als hätte der Osterhase sich in meinem Wohnzimmer ausgetobt!
»Könnten Sie mir wohl sagen, wo seine Praxis ist?«, frage ich und hoffe, damit durchzukommen.
»Worum geht es denn?«, entgegnet sie und runzelt die Stirn.
»Tja«, beginne ich und fahnde nach einem guten Vorwand. »Mein Sohn … vielmehr meine Tochter … meine Zwillinge sind Patienten bei Dr. Goldblatt, und ich wollte ein Rezept für … Tylenol abholen.«
»Oh«, sagt sie lachend. »Ich fürchte, Sie haben sich vertan. Mein Mann ist kein Arzt.«
»Gogo Goldblatt?«, frage ich. »Der Kinderarzt? Aber ich war schon mal hier, und Dr. Goldblatt hat mir freundlicherweise ein Rezept ausgestellt, weil ich keine Zeit hatte, in seine Praxis zu kommen.«
»Der Name stimmt zwar, aber mein Mann hat mit Entwässerungssystemen zu tun.«
»Entwässerungssysteme?« frage ich ungläubig. »Sie mei nen, Drainagen und so? Ist er Internist?«
»Drainagen?«, wiederholt sie und lacht erneut. »Höchstens für Häuser. Mein Mann arbeitet in der Firma meines Vaters, die sich auf Entwässerungssysteme spezialisiert hat. Gogo als Arzt? Sehr komische Vorstellung.«
»So komisch nun auch nicht«, sage ich, um meinen Mann zu verteidigen.
»Vielleicht nicht für Sie! Sie kennen meinen Mann ja nicht«, erwidert sie. »Gut«, sagt sie dann etwas ungeduldig, »ich würde Ihren Kindern gerne helfen, aber leider sind Sie hier an der falschen Adresse.« Damit will sie die Tür zudrücken.
»Nein, warten Sie!«, rufe ich. »Könnten Sie mir noch kurz sagen, was genau Ihr Mann macht?«
»Das wird mir jetzt doch ein bisschen zu viel«, entgegnet sie. »Bitte gehen Sie.«
»Nein, warten Sie«, bettele ich und drücke die Tür wieder auf. »Ich schwöre, ich bin nicht verrückt. Ich bin
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