Träum ich?: Roman (German Edition)
hat den Schlauch von der gegenüberliegenden Straßenseite herge zerrt und ihn an dem Wasserhahn für unseren Gartenschlauch angeschlossen.
»Die beiden sollte man mal gemeinsam in einen Fahrstuhl sperren«, scherzt er.
»Könntest du mir vielleicht helfen, die Hähnchen vom Spieß zu nehmen, damit ich sie in die Bräter legen kann?«, frage ich ihn gereizt.
»Deine Großmutter ist schon ziemlich abgedreht«, sagt er. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es war, mit zwei Irren wie ihr und deiner Mutter aufzuwachsen.«
»Wie bitte?«, frage ich und trete einen Schritt zurück.
»Verzeihung, das war unhöflich«, sagt er.
»Das kannst du laut sagen.«
»Du hast recht. Es tut mir wirklich leid. Aber wer macht schon ein Lagerfeuer in seinem Vorgarten? Warum meint sie überhaupt, sie müsste uns ständig füttern?«
Gogo dreht das Wasser auf und zieht den Schlauch zum Feuer, aber ich renne zum Hahn und drehe das Wasser wieder ab, gerade als er anfangen will zu löschen.
»Lass uns eins mal klarstellen, Gogo. Hast du die beiden Frauen, die mich großgezogen haben, gerade als ›Irre‹ bezeichnet? Dann lass dir sagen, dass dies die zwei tapfersten und wunderbarsten Menschen sind, die du jemals kennenlernen wirst. Hast du eine Ahnung, was sie im Leben durchmachen mussten? Weißt du, wie viel diese Frauen geopfert haben, und zwar nicht nur für mich, sondern auch für sich und viele andere Menschen?«
Ich sehe, dass mein plötzlicher Ausbruch Gogo aus der Bahn wirft, aber das ist mir egal.
»Du hast recht. Ich weiß nichts über dich und deine Familie«, rudert er zurück.
»Allerdings, verdammt noch mal!«, brause ich auf. »Also halt lieber den Mund, wenn du keine Ahnung hast, wovon du überhaupt sprichst!«
Unter meinem lodernden Blick weiß Gogo nicht, wohin mit sich. Allerdings wirkt er nicht so, als täte es ihm besonders leid. Eher so, als hätte er es mit einem Kunden zu tun, der etwas überreagiert. Das macht mich noch wütender.
Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Da die Carverman-Mannschaft Feierabend gemacht hat, ist es still auf der Straße. Es dämmert schon, als Gogo zurück zum Hahn geht, das Wasser aufdreht und anfängt, das Feuer zu löschen. Als er damit fertig ist, kommt das einzige Licht von den Straßenlaternen und einer Lampe in unserem Wohnzimmer.
»Hilf mir doch noch, diese Hähnchen vom Spieß zu ziehen, dann kannst du für heute Schluss machen«, sage ich und gebe ihm die Backhandschuhe.
»Ist gut«, erwidert er, und ich nehme die Bräter, die ich auf den Gehweg gestellt habe.
Während Gogo die Hähnchen abzieht und in die Bräter legt, die ich ihm hinhalte, bin ich in Gedanken bei meiner wunderbaren Großmutter, die einsam und verlassen in ihrem Zimmer sitzt. Am liebsten würde ich zu ihr hinaufgehen.
Als Gogo das letzte Hähnchen in den zweiten Bräter legt, nimmt er den ersten, und wir gehen zusammen ins Haus.
»Den Rest räume ich morgen auf, wenn es hell ist«, sage ich.
»Nicht nötig«, erwidert er. »Das können meine Männer machen, wenn sie morgen zur Arbeit kommen. Diese Holzscheite sind ziemlich schwer. Ich weiß nicht, wie deine Großmutter es geschafft hat, sie dort hinzuschleppen.«
»Vielen Dank«, sage ich, als wir das Haus betreten. »Das kann wohl wirklich bis morgen warten.«
Wir gehen durchs Wohnzimmer in die Küche.
»Tja, danke für deine Hilfe«, sage ich, als wir die Küche betreten.
Plötzlich muss ich lächeln. Diese verrückte alte Dame. Meine irre Großmutter hat den Tisch mit selbst gekochten Speisen gedeckt, die für eine fünfköpfige Familie reichen würden. Auf einem der Teller liegt ein Zettel.
Ich war müde und bin schlafen gegangen. Selma hat heute Abend drei Spinning-Kurse hintereinander, daher ist sie zum Essen nicht zu Hause. Vielleicht hat Mr Gogol Lust, dir bei Hackbraten und Rosenkohl Gesellschaft zu leisten?
In Liebe
Gram
»Möchtest du zum Abendessen bleiben?«, frage ich und gebe Gogo den Zettel.
»Meinst du, sie wird sich je meinen Namen merken können?«, lacht er.
»Wahrscheinlich nicht«, antworte ich und muss auch lächeln.
»Das ist wirklich sehr nett von ihr, aber ich sollte nach Hause«, erklärt er. »Rhonda wartet schon auf mich.«
»Ich fände es schade, ihr gutes Essen verkommen zu lassen«, sage ich.
»Ist das selbst gemachtes Maispüree?«
»Was glaubst du denn?«, entgegne ich. »Meinst du, Dolly würde uns Fertigkost vorsetzen?«
»Tja, vielleicht sollte ich doch bleiben«, sagt er zögernd.
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