Trips & Träume
gemacht zu haben; er verschränkte mit wichtiger Miene die Arme vor der Brust.
Ein paar Sekunden herrschte Stille.
Dann lachte Andi abfällig. »Ich brauch deine Talentförderung nicht! Ich hab eigene Pläne, nach dem Festival werde ich mich auf die Prüfung am Konservatorium vorbereiten, die Bewerbung ist schon abgeschickt.«
Ich seufzte. »Andi, jetzt komm, sei nicht so überheblich. Warum machst du mit beim Festival? Ich sage es dir – weil du es gewinnen willst. Vielleicht ist dir der Preis egal, aber du willst die Nummer eins werden. Und du, Mark, du doch auch. Ihr seid beide eingebildete Fatzkes. Don hat das Festival organisiert und verdammt viel investiert. Er verschafft euch eine Plattform. Da könnt ihr auch mal was für ihn tun.«
Ich erschrak für einen Moment selbst über das, was ich sagte. Dass ich mich tatsächlich einmal auf Dons Seite schlagen würde, hätte ich mir vor ein paar Wochen noch nicht einmal in meinen schlimmsten Alpträumen vorstellen können.
»Okay, alle beruhigen sich wieder.« Don wollte sich anscheinend die Position als Verhandlungsführer nicht aus der Hand nehmen lassen.
»Es ist doch ganz einfach«, sagte er, »wenn ihr beide mitkommt, gerät auch niemand ins Hintertreffen. Wenn ihr beide mitfahrt, dann ruht bei beiden Bands für ein paar Tage die Arbeit. Eine Pause kann guttun, man kommt auf andere Gedanken, neue Ideen stellen sich ein, eine Reise ist inspirierend. Es sind doch nur drei Tage, Sonntag sind wir wieder zurück. Jeder von uns hat etwas davon, wir lernen Fürst kennen, können uns so ein besseres Urteil über den Typ bilden. Und: Wir sehen Magma. Die sollen richtig klasse sein, sagt Fürst.«
Don, ein Meister der Diplomatie.
Andi war hellhörig geworden. »Magma, diese französische Band?«
»Was ist mit denen?«, wollte nun auch Mark wissen.
»Magma sind derzeit der heißeste Musikexport aus Frankreich. Die Band von Christian Vander, ihrem Schlagzeuger«, erläuterte Andi, wieder ganz der Kenner.
Mark schaute ihn direkt an. »Na und, das klingt nicht gerade spannend.«
»Wenn alles stimmt, was ich gehört habe, dann ist Christian Vander ein Wunderknabe auf dem Schlagzeug. Sein erstes Drumkit soll er von Chet Baker, dem Trompeter, geschenkt bekommen haben. Seine Mutter war Barsängerin. Sie kannte all die amerikanischen Musiker, die in Paris Station machten. Elvin Jones, der bei Coltrane trommelte, soll Vander die ersten Tricks beigebracht haben. Und als Coltrane dann starb, hatte dieser Vander eine Vision, er gründete Magma und erfand eine eigene Sprache. Eine Sprache, in der man sich wirklich unterhalten können soll, irgendwo zwischen Slawisch und Lateinisch. Und die Musik, die er komponiert, ist eine Mischung aus Jazzrock und Carl Orff. Alle Bandmitglieder laufen ganz in Schwarz herum und tragen ein goldenes Zeichen um den Hals.«
»Das klingt ganz schön abgefahren«, sagte ich.
»Irgendwie haben die einen an der Klatsche. Das Zeichen sieht aus wie eine Kralle. Auf ihren Platten singen sie immer vom Planeten Kobaïa, dass da alles besser und schöner sei als auf der Erde. Ihre Auftritte gleichen angeblich Exzessen. Das sollte man mal gesehen haben. Gut, ich bin dabei. Ich fahre. Den Sprit zahlst aber du, Don. Ist das klar?«
»Klar.«
»Und du, Mark, du bist auch dabei, ja?« Ich blickte ihn aufmunternd an.
»Na gut«, sagte er schulterzuckend. Ein Ausflug, bei dem Andi dabei war, den er als seinen schärfsten Konkurrenten sowohl in der Musik als auch in der Liebe ansah, ein Ausflug, der Auswirkungen aufs Festival haben konnte, den durfte er nicht verpassen.
Welche Auswirkungen dieser Trip nach Montreux tatsächlich haben sollte, ahnte keiner von uns.
sieben Kobaia
»Der sieht richtig gefährlich aus.«
Fasziniert betrachtete ich das Bild in Sounds.
Christian Vander, Schlagzeuger von Magma, mit Prinz-Eisenherz-Frisur und freiem Oberkörper. Ein muskelbepackter Kerl mit Drumsticks der Marke Gelenktod in den Händen. Die Stöcke waren so dick wie der Schaft eines Hammers, Vander lachte in die Kamera und spielte Trommelfiguren auf dem rechten Oberschenkel.
Ich reichte die Sounds nach hinten zu Don. Er schien nicht wirklich interessiert zu sein. Abwesend nahm er das Magazin und starrte weiter aus dem Fenster. Draußen gab es nichts zu sehen außer den vorbeirasenden Feldern, die der mit hundertzwanzig über die Autobahn ratternde Käfer hinter sich ließ.
Don hielt es vor Ungeduld nicht mehr aus, anders konnte ich mir die Nachdenklichkeit
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