Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
für den Fortschritt der Menschheit stand.
    Er befand sich in einem hell erleuchteten, teuer ausgestatteten Empfangsraum. Die Nische der Empfangsdame war jedoch leer. Es war niemand zu sehen. Wilson setzte sich verwirrt in einen Pneumosessel aus schwarzem Leder.
    Einen Augenblick später öffnete sich eine Tür, und ein Mann trat heraus. Wilson schätzte ihn auf Mitte Sechzig. Er hatte eine blendend weiße Mähne auf dem Kopf. Er war größer als Wilson, der selbst einsachtzig war, und seine Haut war gebräunt und faltenlos.
    »Ich nehme an, Sie sind Wilson. Ich bin Charlie Brewster. Tut mir leid, daß es so zwanglos zugeht, aber die Mitarbeiter gehen um fünf.«
    Brewster streckte ihm eine gewaltige Hand entgegen. Wilson schüttelte sie und sagte: »Es ist dumm, daß ich Sie aufhalte –«
    »Macht gar nichts. Ich bin oft länger hier. Gehen wir doch hinein.«
    Wilson folgte dem Mann in sein Büro. Brewster zeigte auf einen bequemen Sessel und ließ sich hinter einem breiten Schreibtisch aus glänzendem Mahagoni nieder. Auf dem Schreibtisch befand sich außer einer kleinen Metallstatue eines prähistorischen Tieres nichts.
    Wilson war es gar nicht wohl in seiner Haut. Er hatte das Institut und damit Brewster öffentlich mit einigen eher unangenehmen Schimpfworten bedacht. Und Brewster behandelte ihn wie einen Ehrengast.
    Brewster sagte: »Ich habe Ihren Artikel gelesen, Wilson. Ich lege Wert darauf, die Republic jede Woche zu lesen. Ich weiß, daß uns die Leute, die die Republic lesen und für sie schreiben, nicht gut leiden können.«
    Wilson lächelte gezwungen. »Selbstverständlich stimmen wir in unseren politischen Ansichten nicht überein. Die Republic ist nicht gerade ein rechtsgerichtetes Blatt.«
    »Nein, wirklich nicht. Und ich nehme an, daß Sie selbst auch nicht eben zum rechten Flügel gehören, was das auch immer heißen mag.«
    »Das heißt«, sagte Wilson, »daß ich gewöhnlich die Nationalliberale Partei wähle, daß ich für Sozialgesetzgebung bin und auch dafür, daß sich Amerika an der internationalen Politik beteiligt, daß ich die Uhr nicht auf 1875 zurückstellen will, daß ich nichts von einer völlig freien Wirtschaft halte.«
    »Während wir«, versetzte Brewster, »dämonische Konservative sind, die Bilder von Franklin Delano Roosevelt verbrennen und sich allem widersetzen, was Sie für gut und richtig halten.«
    Wilson zuckte mit den Achseln. »Roosevelt starb fünf Jahre vor meiner Geburt.«
    Brewster beugte sich vor. Er wirkt wie ein freundlicher, wohlhabender Onkel, dachte Wilson. »Ich fürchte, Sie werden mir nicht glauben, wenn ich sage, daß wir uns wirklich für den Fortschritt der Menschheit interessieren. Wir gehören keiner politischen Richtung an. Wenn Sie sich unsere Akten anschauen, werden Sie sehen, daß wir den Nationalliberalen letztes Jahr so viel gespendet haben wie den Konservativen, nämlich null Dollar. Und manchmal unterstützen wir bestimmte Sachen, weil das die Öffentlichkeit einfach von uns erwartet.«
    »Zum Beispiel?«
    »Unsere Angriffe auf die Vereinten Nationen. Ich persönlich glaube, daß die UN prächtige Arbeit leistet, nachdem ihre Charta umgearbeitet wurde und jetzt ein wenig sinnvoller ist. Trotzdem hat das Institut morgen in der Times eine halbseitige Anzeige, in der das Land aufgerufen wird, sich aus den Vereinten Nationen zurückzuziehen.«
    »Sie haben eben zugegeben, daß Sie es mit einigen Dingen nicht ernst meinen«, sagte Wilson. »Woher soll ich wissen, wie ernst die gesamte Zielsetzung des Instituts ist?«
    »Recht haben Sie. Wir sind der größte Haufen Heuchler, der sich je zusammengefunden hat.« Brewster lächelte freundlich. »Wir glauben kein Wort von dem, was wir sagen. Wir wollen gar nicht ernst genommen werden. Deshalb schreien wir nach einer Aufhebung der Einkommensteuer, nach einem Auszug aus den Vereinten Nationen, nach dem Ende der Sozialversicherung und einer Reihe anderer aussichtsloser Sachen.«
    Wilson blinzelte. Um seine Verwirrung zu verbergen, holte er eine Zigarette hervor und bediente die Zündkapsel mit unsicheren Fingern. »Na schön.«, sagte er schließlich mit leerer Stimme. »Offensichtlich wollen Sie mich davon überzeugen, daß es sich hier um eine Organisation von Narren handelt. Und das gelingt Ihnen auch bestens.«
    »Narren sind wir nicht gerade«, erwiderte Brewster feierlich. »Wir haben ein gewichtiges Ziel.« Er klopfte gegen die kleine Statue auf seinem Schreibtisch. »Wissen Sie, was das

Weitere Kostenlose Bücher