Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
Schalk in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Warum nur hatte sie das Gefühl, als ob er sie auslachen wollte?
Michael ging voran in ein großes, pompöses Wohnzimmer, welches elegant und doch gleichzeitig dekadent wirkte. Mitten im Raum standen eine samtene, dunkelrote Couch und zwei dazu passende Sessel um einen quadratischen, gläsernen Tisch, der das Licht des filigranen Kristallkronleuchters widerspiegelte. Auf ihm standen eine durchsichtige Karaffe und mehrere schlanke Weingläser nebst einer blauen Vase, in der sich blühende, weiße Lilien befanden. Am anderen Ende des Raumes war die Wand komplett verglast und gab den Blick auf die Skyline von L.A. frei. Kyra wusste jetzt schon, dass sie sich davon fernhalten würde. Rechts befanden sich eine wunderschöne Küchenzeile und eine stilvolle Kochinsel, doch nirgendwo gab es Küchenzubehör und der Herd sah aus, als wäre er noch nie benutzt worden. Er schimmerte sauber und fleckenlos. Links standen mehrere, bis unter die Decke reichende Bücherregale, vollgestopft mit äußerst schwieriger Lektüre. Kyra konnte sich nicht vorstellen, dass Joe diese ganzen Schinken wirklich gelesen hatte. Eine Treppe auf der Linken bereitete den Weg in ein weiteres Stockwerk. Tatsächlich bestand der Boden aus weichem, hellen Fleece-Teppich, der jegliche Geräusche von Schritten fast verschluckte. Das Licht in diesem Appartement war schummrig und dunkel, doch Kyra empfand es als sehr angenehm. Einzig ein Kaminfeuer brannte.
„Ich freue mich, dass du dich doch entschieden hast, hierher zu kommen“, sagte Joe und reichte ihr die Hand.
Kyra nahm sie nicht. Joes Grinsen gefror und er nahm seine Hand sofort wieder herunter. Seine hochgezogenen Augenbrauen verrieten, dass er über ihr abweisendes Verhalten nicht amüsiert war.
„Dann nicht“, sagte er kühl, wandte ihr den Rücken zu und ging auf einen der Sessel zu. „Vielleicht möchtest du dich setzen?“
Er wies auf die Couch und Kyra setze sich. Joe und Michael saßen ihr gegenüber. Michael machte ein desinteressiertes Gesicht und schenkte dem Szenario nicht die geringste Aufmerksamkeit. Kyra stieg kurz ein seltsamer Geruch in die Nase. Es roch irgendwie heiß und verkohlt. Da der Duft aber nur flüchtig im Raum stand, beachtete sie ihn nicht weiter. Joe sah immer wieder zu Michael und lächelte dabei. Michael jedoch blickte genervt und schließlich gab Joe auf und schlug die Beine übereinander. Er wirkte ein wenig angespannt und es gelang ihm nicht, diese Tatsache mit seinem üblichen Grinsen zu überspielen. Kyra sah sich in der Wohnung um und wippte mit den Füßen.
„Hast du Durst?“, fragte Joe geradeheraus.
Kyra zuckte kurz zusammen und antwortete nicht. Doch er sah ihr an, dass sie unbedingt etwas trinken wollte.
„Mike hat dir unterwegs wohl nichts angeboten“, sagte Joe mit einem fröhlichen Seitenblick auf Michael und holte aus dem Kühlschrank eine Blutkonserve.
„Woher habt ihr die?“, fragte Kyra verwirrt und deutete lahm auf die Plastikkonserve in Joes Hand.
Er hielt sie auf Augenhöhe und betrachtete sie, als wäre es das erste Mal.
„Die hier?“, fragte er.
Er setzte sich wieder, schraubte die Verschlusskappe auf und goss das kalte Blut in die Karaffe.
„Einige Vampire sind Mediziner“, erklärte er. „Außerdem gibt es auch viele bereitwillige Spender. Über Blutversorgung musst du dir nun keine Gedanken mehr machen, der Handel mit Menschenblut boomt geradezu in dieser Stadt. Natürlich werden dafür keine Menschen getötet“, fügte er hinzu, als Kyra ihn mit erhobener Augenbraue ansah. „Wir bedienen uns aus legalen Blutbanken. Kein Mensch kommt dabei zu Schaden.“
Er schwenkte die Karaffe und füllte dann die Weingläser. Der Duft strömte in Kyras Nase. Obwohl ihr Hals beim Anblick des roten Lebenssaftes trocken und heiß wurde, störte sie der kalte Dunst, der ihn umgab. Es duftete verwest und eisig und hielt sie davon ab, das Glas sofort an ihre Lippen zu führen. Stattdessen sah sie Joe nur skeptisch an.
„Keine Angst, es ist ganz normales Blut“, beruhigte er sie, schenkte sich zum Beweis selbst ein wenig in ein Glas ein und trank einen Schluck. Seine Augen wurden weiß, nur die schwarzen Pupillen blieben wie sie waren. Als er sich die Lippen leckte, konnte sie seine Fangzähne sehen, die aber sofort wieder im Zahnfleisch
Weitere Kostenlose Bücher