Unheimliche Begegnungen (German Edition)
er sagte: „Wir können ja einige Zeit hier unten bleiben. Da kann uns nichts passieren.“
Obwohl Vinc sich in seiner Haut auch nicht wohl fühlte, sagte er: „Willst du für immer hier bleiben? Dann wären wir auch bald tot. Entweder verhungert oder verdurstet.“
Vinc nahm die inzwischen wieder kleiner gewordene Uhr auf und zog Tom am Arm. Oben angekommen meinte Tom: „Was soll das? Jetzt läuft die Uhr. Ist nur eine Frage der Zeit, wann der Zeiger auf den Ersten deutet.“
Vinc hielt sie an sein Ohr und stellte fest: „Ich höre nicht das geringste Geräusch. Ich glaube, das ist nur eine List, um uns Angst und damit gefügig zu machen.“ Er sagte es, um Tom zu beruhigen, obwohl er selbst nicht davon überzeugt war und auch Furcht um ihr Leben hatte.
„Warum hast du auf einmal darauf bestanden, so schnell nach oben zu gehen? Wir hätten doch unten in Ruhe beraten können.“
Vinc deutete zur aufgehenden Sonne: „Siehst du die Sonne?“
Tom kniff geblendet die Augen zusammen, als er in die blutrote Scheibe sah: „Klar, ich bin ja nicht blind.“ Er sah zu Vinc und meinte scherzhaft: „Jetzt allerdings bin ich blind, nachdem ich in sie geschaut habe, aber taub bin ich nicht, denn ich fragte dich, warum du es plötzlich so eilig hattest, nach oben zu gehen, aber noch keine Antwort klang in meinen Ohren. Und was hat die Sonne damit zu tun?“
„Scheinbar bist du manchmal doch taub, sonst hättest du gehört, was Raxodus anfangs sagte. Nämlich, dass das Tageslicht ein Gräuel für ihn sei. Als die Sonne immer höher kam und damit an Leuchtkraft zunahm, verschwand er. Überlege mal, warum er sich der Herr der Finsternis nennt und beachte dabei die Bedeutung Finsternis.“
„Klar, er scheut das Licht. Ich weiß auch, warum du es eilig hattest, um nach oben zu kommen. Hier oben können wir beraten, ohne dass er uns hören kann.“
„Als wir in den Keller kamen, war er nicht mehr da. Denn unten wurde es durch die Sonne immer heller. Aber wo ist er hin?“, sinnierte Vinc und brachte Tom durch seine Äußerung zu der Folgerung: „Der ist durch die Stelle der Wand gegangen, an der wir hierher gelangten. Der war in der Höhle und er erweckt die Armee. Der hat uns belogen.“
Vinc klopfte Tom auf die Schulter: „Genau. Er hat Äon das Buch abgenommen. Er ist immer noch sein Gefangener. Oder er hat ihn bereits getötet.“ Vinc stockte einen Moment. „Aber ich glaube, den Herrn der Zeit wird er wohl nicht töten können.“ Vinc dachte erneut nach. „Ich glaube, dass die Uhr Äon gehört. Nur er weiß, wie man sie abstellt. Wir müssen ihn unbedingt finden und befreien.“
„Eigenartig. Ados, der Seelenwächter, musste das mit der Uhr vorausgesehen haben, denn er sagte damals, wir sollen Äon befreien, nur er könne uns helfen“, fiel Tom ein.
„Ja, jetzt, wo du es erwähnst, weiß ich es auch wieder. Nur kann nicht der Seelenwächter auch Raxodus gewesen sein?“, fragte Vinc um die Verwirrung wieder größer werden zu lassen, was Tom überhaupt nicht gefiel: „Nun hör mal auf. Der Seelenwächter war der Seelenwächter und basta.“
„Wird wohl so sein“, antwortete Vinc.
„Kann es nicht sein, dass Raxodus Vanessa und Zubla als Geiseln gefangen hält, um irgendwann Druck auf uns auszuüben? Der hat uns doch bisher nur belogen.“
Vinc gab Tom recht.
Tom meinte: „Zwei Dinge machen mir Sorgen: die befristete Zeit und die Lebensuhr.“
„Mir macht das Schicksal von Vanessa und Zubla mehr Sorgen. Wenn er sie tatsächlich gefangen hält, dann frage ich mich, wann er sie töten wird. Wahrscheinlich dann, wenn er sie nicht mehr braucht“, beantwortete Vinc seine Frage selbst. Er sah auf das Buch, das Tom hielt: „Ist es schwer?“
„Leicht kann man es nicht gerade nennen. Ist lästig, es immer zu halten. Hätten wir doch nur eine Umhängetasche.“
„Zu Diensten, die Herren.“ Diese Worte stammten von einem Mann, der merkwürdig aussah und plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Er trug eine Art Zipfelmütze, deren Ende auf die Schulter fiel. Ein braunes Hemd mit einer schwarzen Weste. Hosen waren über die Stiefel bis an die Wade gestülpt. Er lächelte, wobei seine rötlichen Pausbacken in seinem Gesicht besonders hervorhoben und dabei fast die Stupsnase verdeckten. Seine Augen, mit dicken Brauen überschattet, funkelten listig. Er hielt ihnen eine Umhängetasche entgegen und sagte mit wohlklingender Stimme: „Ich habe, was ihr sucht.“
Kaum die Tasche wahrnehmend durch den
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