Unsterbliche Leidenschaft
gebettet. Gwyltha kniete sich daneben. »Flöß es ihm schon ein, Stella.«
»Wie denn?« Er bewegte sich nicht. Wie sollte er da trinken? »Ah!« Sie durchbohrte mit den Zähnen eine der Ecken. Die Öffnung war nicht größer als der Schnuller eines Babyfläschchens, aber dennoch tropfte etwas von dem wertvollen Saft auf sein zerrissenes Hemd, als sie den Beutel an seinen Mund hielt. Stella versuchte mit aller Kraft, nicht auf die klaffende Wunde an seinem Hals zu sehen, als sie die Ecke mit der Öffnung zwischen seine reglosen Lippen schob. Sie drückte den Beutel, um den Blutstrom zu verstärken, da lief auch schon Blut aus seinem Mund. Er schluckte nicht! Blut zu trinken war für Vampire eine reine Instinktsache, und Justin trank nicht! Ihr zitterten die Hände. Sie musste sich konzentrieren, in Ruhe darüber nachdenken, wie sie ihn dazu bringen könnte, zu trinken. Er musste schlucken.
Der Trick mit der zugehaltenen Nase funktionierte nur bei atmenden Wesen. Was sollte sie bloß machen, bei Abel? Was nur? Sie erinnerte sich daran, wie sie Mrs Zeibel, ihrer alten Nachbarin in Ohio, geholfen hatte, einem Welpen Wurmtabletten zu verabreichen. Im Fall Justin kein sehr schmeichelhafter Vergleich, aber welche Rolle zum Teufel spielte das jetzt? »Gwyltha, würdest du bitte den Beutel halten? Ich werde ihm das Blut mit sanftem Druck durch die Kehle streichen. Antonia, du hebst seinen Kopf leicht an. Bitte.«
Keine der beiden Vampirinnen stellte eine Frage. Während Gwyltha das Blut tropfenweise zwischen Justins bleiche Lippen träufelte, massierte Stella seinen Hals vom Kieferansatz an abwärts bis kurz zu jener schrecklichen Schnittwunde. Sie fuhr darin fort und flehte inständig, er würde den Geschmack des Bluts aufnehmen und zu schlucken beginnen.
Sein Hals klaffte nach wie vor offen, bei näherem Hinsehen konnte sie aber feststellen, dass sowohl die Luft- wie auch die Speiseröhre unverletzt waren. Der Schnitt, wie blutig und ausgefranst auch immer, betraf nur Muskelfleisch und Sehnen, aber sein ungeheures Ausmaß war der Grund für Justins Blutverlust und Schwäche.
»Du hast es geschafft! Er schluckt!«
Antonia hatte recht. Justin schluckte, langsam und angestrengt, aber immerhin, er trank, war jetzt über den Berg. Stella hörte auf, seinen Hals zu massieren, und hielt die ausgefransten Ränder der Schnittwunde zusammen. Wenn er trank, würde er auch heilen. Er musste.
Sicher war noch nie ein Blutbeutel so langsam geleert worden, aber schließlich schaffte er es doch, die letzten Tropfen aufzunehmen. Gwyltha legte den Beutel beiseite. »Den nächsten Beutel, Antonia, nimmst du, und ich halte seinen Kopf.«
»Es gibt keinen mehr.«
Stellas Worte echoten durch die Höhle.
»Warum zum Teufel hast du nicht mehr eingepackt?«
Dass Gwyltha fluchte, war ein Zeichen dafür, wie beunruhigt sie war. Stella hatte nie gehört, dass ihr auch nur ein »zum Kuckuck« oder »verflixt« über die Lippen gekommen wäre. »Mein Vorrat war ziemlich erschöpft. Justin wollte morgen Nachschub bringen lassen, weil wir nur noch zwei hatten. Einen davon habe zuvor schon selbst aufgebraucht.« Eine Sache, die sie scheinbar ewig bereuen würde.
»Ich fliege schnell in die Klinik«, bot Antonia an. »Weißt du, wo sie die Bestände lagern, Stella? Für Justin begehe ich auch einen kleinen Einbruch.«
»Dazu reicht die Zeit nicht«, sagte Gwyltha mit matter, resignierter Stimme. »Er ist zu schwach und braucht das Blut jetzt gleich. Ich dachte, die Erde würde ihn heilen, aber der böse Charakter dieser Kreatur hat Justin befleckt. Jetzt hilft nur noch Blut.«
»Vielleicht sollten wir das Tabu brechen, voneinander zu nehmen«, sagte Stella.
Gwyltha schüttelte den Kopf. »Nein.«
Diese verflixten Briten mit ihren strikten ethischen Normen! »Warum denn nicht? Andernfalls stirbt er doch, oder nicht? Du sitzt einfach da und lässt ihn sterben, während wir Blut im Überfluss haben!« Wutentbrannt zog Stella ihr Sweatshirt aus. »Wenn ihr ihm die Nahrung schon verweigert, versucht bitte nicht, das auch von mir zu verlangen!«
»Stella!« Antonia fasste sie sanft an der Schulter. »Es würde nichts nützen. Kraft und Heilung kann ihm nur lebendiges, sterbliches Blut geben. Unser Blut ist weder das eine noch das andere.«
»Es gibt gute Gründe für dieses Tabu, Frischling.« Gwyltha sprach ruhig, aber mit unüberhörbarem Nachdruck.
Gut. Wurde die Lage dadurch weder besser noch schlechter. Justin lag nach wie vor im
Weitere Kostenlose Bücher