Valley - Tal der Wächter
rührte sich immer noch nicht. Er lauschte Hals Atemzügen, den langsamen, tiefen Atemzügen eines fest Schlafenden.
Im schwachen Schein des heruntergebrannten Lagerfeuers ließ Björn die Schultern kreisen, als müsste er eine Anspannung abschütteln. Dann, wieder nach einer ganzen Weile, lehnte er sich zur Seite. Man hörte ihn leise in seiner Satteltasche kramen.Anschließend kehrte wieder Stille ein.
Als Björn steifbeinig aufstand, knackte ein Gelenk. Hal beobachtete ihn unter halb geschlossenen Lidern, sah ihn einen Augenblick mit gesenktem Kopf reglos dastehen. Dann kam Björn mit leisen Schritten um das Feuer herum, nutzte den letzten Lichtschimmer, um sich zurechtzufinden. Trotz seines Gewichts tappte er nahezu lautlos durchs Gras. Er hielt etwas in der Hand.
Als Björn vor dem kleinen Vorsprung stand, machte er Halt. Er ragte über Hal auf – ein ungeschlachter, gesichtsloser Schemen, der sich vor dem ersterbenden Feuerschein abzeichnete. Hal lag unter seinem Mantel ganz still und gab angestrengt unverdächtige Schlafgeräusche von sich, aber in Wirklichkeit war er vor Angst aufs Äußerste angespannt. Seine Kehle war wie zugeschnürt, seine Atemzüge kamen rasselnd aus dem halb offenen Mund. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, das Blut rauschte ihm in den Ohren.
Der Schemen rührte sich immer noch nicht. Dann hob er den Arm.
Der Druck in Hals Kehle wurde unerträglich und entlud sich in einem lauten, ungestümen Schrei.
Der Schemen fuhr zurück. Hals Schrei brach sich an den Felsen auf der anderen Seite der schwarzen Schlucht.
Hal warf seinen Mantel ab.
Da holte der Schemen mit dem Arm aus. Etwas Schwarzes, Gebogenes, Sichelförmiges stieß herab. Hal rollte sich weg, spürte aber, wie sich hinter seinem Kopf etwas tief in die grasbewachsene Erde bohrte. Jetzt war er auf allen vieren und krabbelte panisch davon – aber er verhedderte sich mit dem Fuß in seinem Mantel, taumelte, stürzte …
Jemand packte ihn am Knöchel und zerrte ihn grob zurück.
Hal entfuhr ein Angstschrei, er wälzte sich auf den Rücken und holte mit dem freien Fuß aus, trat mit aller Kraft zu. Der Fuß traf auf etwas Weiches, Nachgiebiges, dann ertönte ein schmerzerfülltes Gewinsel.
Der Griff um seinen Knöchel lockerte sich. Hal sah im schwachen Gegenlicht des Feuers, wie sich der Schemen krümmte und den Unterleib hielt. Hal sprang auf und flüchtete sich auf die Lichtung.
Nach ein paar Schritten drehte er sich wieder um. Björn kam hinter ihm hergestolpert, teils im Dunkeln verborgen, teils blutrot beschienen. Er hielt sich krampfhaft den Bauch. Seine Stimme klang sanft: »Du hast mir wehgetan, kleiner Leif, ach, du hast mir das Gedärm zerfetzt. Das sollst du mir büßen.«
Hal wich Schrittchen für Schrittchen zurück. Hinter sich hörte er den fernen Fluss, er spürte einen Luftzug und ahnte den gähnenden Abgrund. Er war ganz nahe – Weitergehen war zu gefährlich. Es überlief Hal kalt. Er blieb stehen und starrte angstvoll in die Dunkelheit, aus der Björn auf ihn zutorkelte.
Björns Mund stand offen, seine Lippen und sein Kinn glänzten feucht. »Kleiner Leif, kleiner Leif... gib mir den Gürtel oder – unter uns Dieben – ich werfe dich auf einen Felsen und schneide dir die Kehle durch.«
Hal rief wütend: »Gegenvorschlag: Gib dich geschlagen und schwing den Hintern auf deinen klapprigen Gaul, denn den Gürtel kriegst du nie und nimmer.«
Björn kicherte verunsichert, stürzte aber im selben Augenblick vorwärts. Der überrumpelte Hal konnte nicht mehr ausweichen. Ein weicher Berg prallte gegen ihn, Schweißund Weingeruch und andere Ausdünstungen schlugen ihm entgegen. Ein Hieb traf ihn am Oberarm und ließ ihn aufschreien. Mordgierige Hände schnürten ihm die Luft ab, seine Knie wankten, er kippte hintenüber, drehte sich dabei und spürte, wie der schwere Mann über ihn drüberrollte.
Hal landete unsanft auf dem Rücken. Hinter sich hörte er Björn dumpf aufschlagen und spürte, wie die klammernden Hände seinen Hals unvermittelt losließen. Sofort rappelte er sich auf, denn Björn würde dasselbe tun.
Ein Arm schlang sich von hinten um seine Brust. Hal holte blindlings mit der Faust aus.Von der Wucht des Treffers bebte sein ganzer Arm. Ein Wutschrei, ein sich entfernendes Schlurfen... Stille.
Hal wankte noch ein paar Schritte weiter, weil er mit Björns nächstem Angriff rechnete.
Doch der kam nicht.
Hal duckte sich keuchend und schluchzend ins Gras und horchte in die
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