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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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verdrossenen Blick zu. «Sie werden vermutlich feststellen, dass Señor Gutiérrez nicht sehr gesprächig ist.» Er hatte sich ebenfalls erhoben, um Tron zur Tür zu begleiten.
    Tron runzelte die Stirn. «Ich glaube nicht, dass er sich weigern wird, mir bei der Aufklärung eines Mordes behilflich zu sein. Er ist möglicherweise der Letzte, der Signorina Slataper lebend gesehen hat.»
    «Sicher. Aber er ist auch der mexikanische Botschafter  am Heiligen Stuhl. Sie können ihn nicht zwingen, ein Gespräch mit Ihnen zu führen.»
    «Es gab noch nie Schwierigkeiten im Umgang mit Dip lomaten.»
    Pater Maurice hielt Tron höflich die Tür auf und lächelte. «Sie hatten noch nie Umgang mit Señor Estrada.»

    Die Sakristeitür öffnete sich mit dem üblichen Quietschen, als Signor Tron den Kirchenraum wieder betrat. Die ganze Zeit hatte sie die Tür beobachtet wie die Katze das Mauseloch. Jetzt sah sie, wie Signor Tron zum Ausgang spazierte – mit seinem schlendernden Gang, so als wolle er jeden  Moment stehen bleiben, um irgendetwas näher ins Auge zu fassen. Was er dann auch tat. Und zwar die stumme Jungfrau, die ihren Marmorblick immer noch auf die gegenü berliegende Kirchenwand gerichtet hielt.
    Sie lief durch den Seitengang auf ihn zu und räusperte  sich. «Signor Tron?»
    Er lächelte, als er sie sah. «Bist du jetzt fertig?» Sein Blick streifte über den Fußboden.
    Aber der Fußboden war ihr im Augenblick egal. «Mehr  oder weniger.» Sie streckte ihm die Brieftasche entgegen.
    «Gehört das Ihnen?» Es war besser, so zu tun, als wüsste sie nicht, worum es sich bei diesem Ding handelte.
    Er zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. «Das ist  meine Brieftasche. Wo hast du sie her?»
    «Sie lag am Weihwasserbecken.»  Signor Tron machte ein verdutztes Gesicht. «Ich hatte  sie rausgeholt, um etwas zu überprüfen. Offenbar habe ich sie dann daneben gesteckt. Halt mal.»
    Sie nahm ihm seinen Zylinder und seinen Spazierstock  ab, und er knöpfte seinen Mantel auf, um die Brieftasche in seinem Gehrock zu verstauen.
    «Regnet es wieder?», erkundigte sich Signor Tron.
    Sie nickte. «Es hat wieder angefangen. Aber Sie haben ja den Hut.» Sie deutete auf den schwarzen Zylinderhut, den sie immer noch in der Hand hielt.
    Er nahm ihr den Hut aus der Hand. «Zylinderhüte sind  die unpraktischsten Hüte der Welt. Die saugen sich voll wie ein Schwamm. Und wenn ein bisschen Wind geht, fliegen sie einem vom Kopf.»
    Was Signor Tron offenbar ständig passierte, denn sein  Zylinder sah ziemlich mitgenommen aus. «Dann müssen Sie ihn festhalten», sagte sie.
    Jetzt hob Signor Tron den rechten Arm. Sein abgewetzter Ärmel sackte nach unten, wobei die Ränder des Ärmels ein wenig auseinander klafften. «Immer wenn ich das mache läuft mir das Regenwasser in den Mantel.»
    «Dann sollten Sie sich einen Regenschirm anschaffen.»
    Gütiger Himmel, was trieb sie dazu, diesem Mann, der ihr völlig unbekannt war, Ratschläge zu geben? Was war das überhaupt für ein Gespräch? Und wahrscheinlich hatte Signor Tron auch Besseres zu tun, als sich mit ihr zu unterhalten.
    Aber der schien es überhaupt nicht eilig zu haben. Er  runzelte die Stirn. «Weißt du, was Regenschirme kosten?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Gute Regenschirme sind teuer. Weil die in England  hergestellt werden. Das ist was für reiche Fremde. Nicht für Leute wie uns.»
    Nicht für Leute wie uns. Dieser kleine Satz gefiel ihr.
    «Ich muss jetzt gehen, Angelina», sagte Signor Tron.
    Klang das wirklich bedauernd, oder bildete sie sich das nur ein?
    Jedenfalls gab er ihr wieder die Hand und sagte: «Danke für die Brieftasche.» Was in gewisser Weise seine Berechtigung hatte, aber bewirkte, dass sie sich richtig mies vorkam.
    Sie hätte ihn gerne zum zweiten Mal mit einem franzö sischen Satz überrascht, aber es fiel ihr partout keiner ein.
    Also beschränkte sie sich darauf, sein Lächeln zu erwidern und ihm dabei zuzusehen, wie er die Kirchentür aufmachte und hinaus in den Regen trat.

9

    Seine Exzellenz, Señor Gutiérrez de Estrada, Botschafter der mexikanischen Exilregierung am Heiligen Stuhl, beugte sich über seinen Schreibtisch und warf Tron einen frostigen Blick zu. Er sprach ein holpriges, aber gut verständliches Italienisch.
    «Mich hier einfach aufzusuchen entspricht nicht dem  Dienstweg, Commissario», sagte der Botschafter. «Ich weiß gar nicht, warum ich Sie und Ihren Sergente überhaupt empfangen habe.» Er geruhte seinen

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