Verderbnis
eingeschlagen. Hat so viel Zeugs mitgehen lassen, dass ich nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand.«
»Haben Sie Anzeige erstattet?«
»So, wie ihr die Sache behandelt hättet? Bei allem Respekt, aber auf den Gedanken bin ich nie gekommen. Ihr habt es fein raus, die Leute zu ignorieren. Ein Diplom im Weggucken. Und dann kam natürlich der Brand, und darüber haben wir alles andere für ’ne Weile vergessen.«
Caffery musterte Richard. Dessen Gesicht war so fleischig, dass sich nicht viel daraus schließen ließ, doch sein Vater besaß die Visage eines Gauners. Aber ein Vorstrafenregister hatten sie beide nicht. »Dieser Brand – der wird in unseren Akten sein, nehme ich an?«
» Fuck , darauf können Sie Gift nehmen. Brandstiftung. Die Stadt hat für die Renovierung bezahlt, aber so ’n bisschen Farbe! Die würde niemals ungeschehen machen, was passiert ist.«
»Es hat Mutter erledigt«, wisperte Richard atemlos, »nicht wahr, Dad? Hat sie erledigt.«
»Das Feuer hat sie überlebt, aber sie hat nicht ertragen, was es mit uns als Familie gemacht hat. Und dich hat’s ja auch erledigt, Junge, oder? In gewisser Weise?«
Richard verlagerte sein ganzes Gewicht auf die linke Hinterbacke und keuchte vor Anstrengung. »’scheinlich.«
»Rauchinhalation.« Peter Moons Knie zuckte plötzlich und wippte auf und ab, als hätte er einen Motor im Leib. »Lungenschaden, Asthma, plus natürlich« – er malte mit beiden Händen Anführungsstriche in die Luft – »kognitive Einschränkungen und Verhaltensstörungen. Kommt vom Kohlenmonoxid. Macht ihn launisch – depressiv. Da hockt er dann den ganzen Tag rum, sieht fern und frisst. Snickers und Twix. Nudeltopf, wenn er auf dem Gesundheitstrip ist.«
»Ich hocke nicht den ganzen Tag rum.«
»Doch, Junge. Du tust nichts. Und deshalb bist du in dem Zustand, in dem du bist.«
Caffery hob die Hand. »Wir machen jetzt Schluss.« Er stellte seinen Becher auf den Tisch und stand auf. »Unter diesen Umständen können Sie es sich aussuchen: Entweder begleiten Sie mich auf das Revier, oder …«
»Dahin bringen Sie uns nur über meine Leiche. Mein Sohn hat die Wohnung seit über einem Jahr nicht mehr verlassen, und er wird es jetzt auch nicht tun. Das wäre sein Tod.«
»Oder ich lasse einen meiner Leute hier. Nur für den Fall, dass dieser Einbrecher plötzlich christliche Anwandlungen kriegt und beschließt, den Pass seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Hm?«
»Wir haben nichts zu verbergen. Und mein Sohn muss jetzt wieder ins Bett.« Peter Moon stand auf und stellte sich vor Richard. Er zog die Hosenträger über die Schultern, beugte sich vor und streckte die Arme aus. »Komm, Junge. Wenn du zu lange hier hocken bleibst, holst du dir den Tod. Komm schon.«
Caffery verfolgte, wie Richard, schwitzend in Weste und Jogginghose, seinem Vater die Arme entgegenstreckte. Er sah, wie die Armsehnen des älteren Mannes straff und hart wurden, als er das Gewicht seines Sohnes vom Sofa hievte.
»Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein. Mach ich seit Jahren. Komm, Junge, ab ins Bett mit dir.«
Caffery, Turner und der Agenturmanager beobachteten schweigend, wie der Sohn auf die Füße gezogen wurde. Diesem kleinen Kerl mit dem kahlen Schädel und dem krummen Rücken hätte man nicht zugetraut, dass er dazu in der Lage wäre. Aber er brachte Richard auf die Beine und trug ihn fast zum Korridor, Schritt für Schritt und unter Schmerzen.
»Bleiben Sie ihnen auf den Fersen«, sagte Caffery leise zu Turner. »Passen Sie auf, dass sie kein Handy bei sich haben. Ich schicke einen Officer von der Unterstützungseinheit herauf, der hier dann übernimmt. Sie fahren anschließend zurück ins Büro. Durchleuchten Sie die beiden gründlich. Kriminalakten über den Vater – alles, was über diese Adresse aktenkundig ist. Und stellen Sie fest, was es mit diesem Brand auf sich hat, falls es ihn wirklich gab. Ich will einen Datenbankabgleich über die beiden und eine Liste sämtlicher Bekanntschaften. Quetschen Sie sie aus.«
»Wird gemacht.«
Turner folgte den Moons. Caffery und der Manager blieben allein zurück. Caffery suchte in seiner Tasche nach seinem Schlüssel. Er ignorierte den Tabaksbeutel, der dort lauerte. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit dachte er an seine Eltern und fragte sich, wo sie sich befanden und was sie taten. Er hatte sich seit Jahren nicht mehr um sie gekümmert, und jetzt überlegte er, ob sie schon gebrechlich wurden? Und wenn sie es waren, wer half dann wem,
Weitere Kostenlose Bücher