Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verflucht sei Dostojewski

Verflucht sei Dostojewski

Titel: Verflucht sei Dostojewski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atiq Rahimi
Vom Netzwerk:
dem Halbdunkel und stürzt sich wütend auf die Tür, öffnet sie. Erstaunt, ihn zu sehen, fragt Amer Salam mit lauter Stimme: »Ist nana Alia nicht da?« Nein, bedeutet Rassul ungehalten. Mit einem suchenden Blick über Rassuls Schulter sagt der Kommandeur: »Dann richte ihr aus, dass Amer Salam heute Abend mit seinen Gästen kommt. Dass er sieben Gäste mitbringt, sieben!«, und verschwindet.
    Suphia, die sich hinter der Tür versteckt hat, lässt sich völlig aufgelöst zu Boden sinken. Rassul schließt wieder ab und schaut zwischen den losen Brettern hindurch ratlos zu, wie Amer Salam sich zu seinem Wagen schleppt, der ein Stück entfernt geparkt ist. Dann löst er sich von der Tür, zündet nervös eine Zigarette an und setzt sich auf eine Terrassenstufe. Suphia steht auf und geht zu ihm. Er schaut ihr fest in die Augen, als wollte er fragen: Wer ist dieser Amer Salam?
    Nun, Rassul, du stellst gerne Fragen, deren Antwort du kennst. Das ist natürlich ein Kunde der nana Alia, der oft herkommt, um die Mädchen tanzen zu sehen. Lass Suphia in Ruhe.
    Sie steckt ihren Kopf zwischen die Knie und weint still. Rassul, perplex, weiß nicht, ob er sie trösten oder fortschicken soll.
    Warum denn fortschicken? Sie verdient es, getröstet, geliebt, verehrt zu werden.
    Nach einem Moment des Zögerns legt er zärtlich die Hand auf ihre Schulter. Das beruhigt sie, als hätte sie nur auf diesen Augenblick der Gnade gewartet. Sie schmiegt sich in seine Arme und bricht in Schluchzen aus. Rassul streichelt ihr über den Rücken. Hätte er eine Stimme, würde sie ihn sagen hören: »Es ist vorbei, Suphia. Diese dreckige Hure ist weg. Ich habe sie getötet. Beruhige dich!«
    Sie weint immer noch. Sie will überhaupt nicht mehr aufhören. Sie hört nicht auf. Solange Rassul sie streichelt, wird sie nicht aufhören. Würde es doch ewig dauern, dieser Augenblick, diese Tränen, diese Zärtlichkeit!
    Leider geht es vorbei. Rassul ist durcheinander, nicht so sehr wegen Suphia, sondern wegen einer eigenartigen Empfindung, die er in diesem Haus hat. Er hat den Eindruck, dass jemand sie vom Flur aus beobachtet. Er steht auf und wirft einen flüchtigen, etwas erschrockenen Blick hinter sich. Dann gibt er Suphia ein Zeichen, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. »Wenn Nazigol zurück ist.« Nein, dieses Haus ist verflucht! Er läuft zur Tür. »Wenn sie zurückkommt und wir nicht da sind, wirft nana Alia uns aus unserem Haus.«
    Zum Teufel mit nana Alia! Ich habe sie getötet.
    Er wirft seine Zigarette in den Hof, öffnet die Tür und tritt auf die Gasse hinaus. Suphia rennt ihm panisch hinterher. »Rassul! Weißt du etwas über nana Alias Verschwinden?« Suphia, versuch nicht zu erfahren, was er mit ihr gemacht hat! Du wirst ihn nur verlieren. »Aber was ist denn los? Ich muss es wissen.« Er bleibt stehen, schaut ihr in die Augen, bedrückt, bedrückend. Wie ihr sagen, dass sie es noch früh genug erfahren wird, dass er selbst es ihr sagen wird. »Verflixt, mein Tschaderi! … Warte, ich hole ihn.« Sie kehrt um. Rassul geht weiter. Nach ein paar Schritten bleibt er stehen. Der Schmerz im Knöchel. Er massiert sich den Fuß.
    Irgendwo in der Stadt Gefechtsschüsse. Sein Blick wandert zum Berg Asmai, eine Gruppe Bewaffneter strebt dem Gipfel zu.
    Er geht hinunter in Richtung saqichana , wo …

JEMAND HUSTET, EIN FEUCHTER, rasselnder Husten. Er spuckt aus. Zwischen zwei Hustenanfällen ertönt eine Stimme, die eines gewissen kaka Sarwar, eine volle, feierliche Stimme, die rezitiert: » … Hierauf schlug er einen anderen Weg ein. Als er schließlich an die Stelle zwischen den beiden Wällen gelangte, fand er diesseits von ihnen Leute, die, wenn man etwas zu ihnen sagte, es kaum verstanden. Sie sagten: ›Du mit den zwei Hörnern! Gog und Magog richten auf der Erde Unheil an.‹ « Er hält inne, nimmt einen Zug aus der Haschischpfeife. » ›Sollen wir nicht eine Gebühr dafür aussetzen, daß du zwischen uns und ihnen einen Wall machst?‹ Tatsächlich waren die Gog und Magog zwei perverse, lasterhafte Stämme, die auf keinen Rat hörten und das Unheil nicht fürchteten. Und da er natürlich auf das Gute gerichtet war, um den Beleidigten beizustehen, akzeptierte er es sofort, ihnen zu helfen, weigerte sich aber ausdrücklich, als Gegenleistung einen Tribut zu empfangen. Er sagte: ›Die Macht, die mein Herr mir gegeben hat, ist mehr wert, als was ihr mir bieten könnt. Helft mir nun tüchtig, damit ich zwischen euch und ihnen

Weitere Kostenlose Bücher