Verfolgt im Mondlicht
drei E-Mails von Lucas.
Im Betreff aller drei Nachrichten standen dieselben drei Worte: Ich vermisse dich.
Kylie musste schlucken.
»Bist du irgendwie sauer auf mich oder so?«, fragte er.
»Ja.« Ihr Blick war starr auf den Bildschirm geheftet, und sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde anschwellen – groß, größer –, bis es zu groß war für ihren Brustkorb. Sie konnte kaum atmen.
Sie schluckte wieder. »Nein.«
»Was denn jetzt, ja oder nein?« Er klang verletzt. Oder wütend. Vielleicht beides.
Sie schloss die Augen, und obwohl sie nichts gehört hatte, spürte sie, dass er näher gekommen war. Sein Geruch, ein wunderbar erdiger Duft, schien sich im Raum auszubreiten.
Sie atmete ein. »Vielleicht.«
»Hmm.« Er klang tatsächlich näher als vorher. Zu nah. Direkt hinter ihr.
Es war zwar verlockend, sich zu ihm umzudrehen, aber Kylie tat es nicht. Sie blickte weiterhin starr auf den Bildschirm und hielt die Luft an.
»Ist es, weil ich gestern nicht rechtzeitig hier war? Ich hab dir doch einen Brief geschrieben. Du hast schon geschlafen.«
»Nein, darum geht es nicht.« Sie starrte weiter den Bildschirm an. Dabei entdeckte sie die E-Mails von ihrem Vater. Das war noch so eine Sache, mit der sie sich früher oder später würde beschäftigen müssen. Dass ihre Mom wieder ausging und wahrscheinlich nie wieder mit ihrem Stiefvater zusammenkommen würde, machte es für Kylie nicht leichter, ihn zu sehen.
Sie blinzelte.
»Worum geht es dann?« Er legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. Kylie spürte seine Werwolf-Körpertemperatur durch den Stoff ihres Shirts. »Denn im Moment würde ich dich am liebsten küssen, und ich weiß nicht, ob das geht. Weil du sauer auf mich bist, meine ich.«
Kylie atmete tief durch. Ihr Herz pochte wie wild beim Gedanken daran, Lucas zu küssen. Seinen Körper zu spüren.
»Es geht darum, dass du mir aus dem Weg gehst«, rückte sie schließlich heraus. »Du ziehst dich von mir zurück.«
Er strich ihr zärtlich über die Schulter. »Nur so lange bis mein Vater mir die Zustimmung gibt, dass ich dem Rat beitreten kann. Ich weiß, es ist nicht leicht gerade, und ja, jetzt, wo Clara hier ist, wird es noch schwieriger werden, sich zu treffen, aber … Ich brauche seine Zustimmung. Ich glaub, es dauert auch nicht mehr lange.«
Sie blinzelte wieder, und da sah sie es. Vier … nein, fünf E-Mails alle mit dem Betreff Nebel. Konnte das bedeuten …?
»Mein Gott!« Sie sah, wie eine weitere E-Mail von derselben Adresse einging. Dieses Mal stand in der Betreffzeile: Reden .
»Was denn?«, fragte Lucas ahnungslos.
Sie öffnete den Mund, um es ihm zu sagen, schloss ihn aber gleich wieder – gleichzeitig mit ihrem E-Mail-Programm. Sie hatte ihm nicht erzählt, dass es ihr Großvater gewesen war, der seine Schwester gejagt hatte. Und zwar, weil es sich nicht richtig angefühlt hatte. Es ihm jetzt zu erzählen, fühlte sich noch weniger richtig an.
Wenn sie vorhatte, ihren Großvater ohne Burnett zu treffen, würde Lucas das niemals zulassen. Er würde sie beschützen wollen und darauf bestehen, dass sie es Burnett erzählte.
Kylie konnte aber nicht zulassen, dass Lucas es Burnett erzählte, denn der würde genauso wenig zulassen, dass sie ihren Großvater ohne ihn traf. Und sie hatte das dumpfe Gefühl, ihr Großvater war nicht sonderlich scharf darauf, Burnett zu treffen.
Aber sie musste ihren Großvater unbedingt sehen – mit oder ohne Burnett. Er hatte die Antworten. Diese Antworten zu finden, war ihr großes Ziel. Wie oft hatte Holiday ihr gesagt, dass es darum ging, seinem Herzen zu folgen, wenn man seine Ziele erreichen wollte? Und ihr Herz sagte ihr, dass es so richtig war. Lucas würde das einfach verstehen müssen.
Plötzlich ging ihr ein Licht auf. Lucas’ Ziel war es, in den Rat zu kommen. Und um das zu schaffen, musste er vor seinem Rudel und vor Clara so tun, als wäre sie ihm nicht mehr wichtig. Wie konnte sie ihm da böse sein, wenn sie genau wie er ihre eigenen Ziele hatte, die ihr am Herzen lagen?
Sie musste verständnisvoller sein. Und wenn das bedeutete, dass sie nicht mehr zusammen essen konnten oder so tun mussten, als wären sie kein Paar mehr, dann sollte sie das akzeptieren. Genau wie sie von ihm erwartete, dass er Verständnis hatte, wenn sie ihre Ziele verfolgte.
Entschlossen stand sie auf und drehte sich zu ihm um. »Es tut mir leid. Ich hab überreagiert.«
Er starrte sie an und schien jetzt vollends verwirrt zu sein. »Du bist nicht
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