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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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fallen. Keine überquellenden Untertassen, bemerkte Paula. »Es gab mal Gerangel unten in Temple Fields«, sagte er schließlich. »Aber nicht hier am Arsch der Welt von Brackley Field.« Er nahm seine Zigarettenschachtel und tippte damit auf die Stuhllehne. »Wann wird man mir ihre Leiche überlassen?«
    Die Frage kam total überraschend. »Sind Sie ihr nächster Verwandter?«, fragte Paula, um Zeit zu gewinnen.
    »Sie hat niemand außer mir. Ihre Mum ist tot. Sie hat ihren Dad oder ihre zwei Brüder nicht mehr gesehen, seit sie neun Jahre alt war. Sie war ein Pflegekind, genau wie ich. Wir sorgten füreinander. Sie muss eine richtige Beerdigung bekommen, und sonst wird sich keiner um sie kümmern. Wann kann ich das also klären?«
    »Sie müssen mit der Gerichtsmedizin sprechen«, erklärte Paula, hatte aber kein gutes Gefühl dabei, dass sie einer Frage aus dem Weg ging, auf die es keine einfache Antwort gab. »Aber man wird sie nicht sofort freigeben. Mordopfer müssen wir eine Weile behalten.«
    »Warum? Dass eine Obduktion gemacht werden muss, wusste ich. Schließlich sehe ich ja fern, oder? Das verstehe ich. Aber es ist erledigt, da kann ich sie doch sicher zurückbekommen?«
    »So einfach ist es nicht«, sagte Kevin. »Falls wir jemanden verhaften …«
    » Falls? Meinen Sie nicht eher wenn?« Nicky sprang auf, begann, im Zimmer auf und ab zu gehen, und zündete sich im Gehen eine Zigarette an. »Oder ist sie nicht wichtig genug, um Anspruch auf ›wenn‹ zu haben?«
    Paula spürte, wie angespannt Kevin neben ihr war. »Es läuft wie folgt. Wenn wir jemanden verhaften, hat er das Recht, eine zweite Obduktion zu verlangen. Nur für den Fall, dass unser Pathologe einen Fehler gemacht hat. Das ist besonders wichtig, wenn es Zweifel zur Todesursache gibt. Oder, wie in diesem Fall, wenn es ein forensisches Problem im Zusammenhang mit der Leiche gibt.«
    »Scheiße«, fauchte Nicky. »So, wie ihr arbeitet, könnten wir alle tot sein, bevor ihr einen verhaftet.« Er hielt inne, lehnte den Kopf an die Wand. Im Profil sah er aus wie eine künstlerische Darstellung der Verzweiflung. »Was passiert, wenn dieses Schwein ungestraft damit durchkommt? Wie lang dauert es, bis ihr sie mir zurückgebt?« Jetzt fing er an, sich wirklich aufzuregen. Paula war klar, dass sie heute nichts Brauchbares mehr aus Nicky herausbekommen würden.
    »Sprechen Sie mit der Gerichtsmedizin, Nicky«, riet sie ruhig, aber nicht herablassend. »Dort kann man Ihre Fragen beantworten.« Sie stand auf, ging zu ihm hin und legte ihm ihre Hand auf den Arm. Durch sein langärmeliges Oberhemd spürte sie harte Knochen und zuckende Muskeln. »Mein herzliches Beileid. Ich verspreche Ihnen, ich nehme keinen Mord auf die leichte Schulter.« Sie reichte ihm ihre Karte. »Wenn Ihnen irgendwas einfällt, das helfen könnte, dann melden Sie sich bei mir.« Sie warf ihm ein schwaches Lächeln zu. »Oder wenn Sie einfach über sie sprechen wollen. Rufen Sie mich an.«

16
    C arol starrte Penny Burgess, die Kriminalreporterin der Bradfield Evening Sentinel Times, an. Es war wahrscheinlich ganz gut für die Reporterin, dass Carol die Pressekonferenz nur als Videoaufnahme sah und nicht im gleichen Raum saß. Bereits in ihrer frühesten Bradfielder Zeit und trotz aller Sympathie für Solidarität unter Frauen und für Gerechtigkeit hatte die Reporterin sie verärgert. Es machte Carol wütend, dass jemand, der behauptete, sich für die Glaubenssätze einzusetzen, die auch ihr selbst am meisten am Herzen lagen, diese Prinzipien zugleich so absolut sabotieren konnte. Fast noch irritierender war, dass alles von der Frau abzuprallen schien. Obwohl ihre Karriere in regelmäßigen Abständen am absoluten Tiefpunkt anzukommen schien, kehrte sie doch immer wieder mit ihren Artikeln auf die erste Seite zurück und erschien im Pressebüro so teuer gekleidet wie eine Modejournalistin aus London. Sie hatte fast Kevin Matthews’ Karriere und seine Ehe zerstört, als sie ihn in eine Affäre verwickelt und ihn dazu gebracht hatte, Interna über seine Arbeit auszuplaudern. Aber bei Pressekonferenzen der Polizei saß sie immer noch in der ersten Reihe, als sei sie teflonbeschichtet.
    Heute war sie wieder so hartnäckig wie eh und je. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie wie ein Serienmörder, der ein Opfer in seiner Hand hat. Sie gab nicht auf, bis alle Möglichkeiten ihrer Beute erschöpft waren, dann machte sie sie fertig. Es war eigentlich ein bewundernswerter

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