Verheißenes Land
reichte den Overlandern kaum bis an die Fersen. Es war, als hätten sich tausend Rinnsale zufällig getroffen und würden nun gemeinsam vor sich hinplätschern.
»Himmel, was soll das denn für ein Fluss sein, der dreimal breiter ist als der mächtige Mississippi, aber so flach wie eine klägliche Pfütze?«, rief einer der Reisenden fassungslos.
»Dieser Platte River ist wirklich ein Hohn auf alle Flüsse der Welt«, meinte ein anderer.
Und Patrick trug an diesem Tag in sein Notizbuch ein: »Der Platte River ist ein seltsames Gewässer, fischlos, zu schmutzig zum Baden und zu dickflüssig zum Trinken! Aber er wird uns zu den Rocky Mountains führen.«
Die Ebene zu beiden Seiten des Platte war mit kurzem Gras bedeckt und völlig baumlos. Nur auf einigen der Sandbänke konnte man kümmerliches Gewächs ausmachen, das ein wenig höher als Gras aufragte. Zahlreich dagegen waren die Bauten der Präriehunde. Die putzigen Nagetiere waren kaum größer als Eichhörnchen und ihr geschäftiges Hin und Her fesselte die meisten Overlander. Entzückt beobachteten Éanna und Emily die Tierchen und protestierten heftig, als Liam und Brendan die Absicht äußerten, zwei oder drei davon für ein leckeres Abendmahl einzufangen.
»Na gut, wenn es euch glücklich macht, verzichten wir eben auf den prächtigen Braten«, beugte sich Brendan großzügig ihrem Willen. Er zwinkerte Liam zu, wussten doch alle vier, dass ohnehin viel zu wenig Fleisch an den Präriehunden war, um daraus eine Mahlzeit zuzubereiten.
Am späten Nachmittag kam zur großen Freude der Reisenden endlich das Fort Kearny in Sicht. Es war erst im Jahr zuvor von der Armee zum Schutz des Trails errichtet worden und bestand aus einer recht bescheidenen Ansammlung von Baracken um einen großen Innenhof, die von Palisaden umschlossen wurde. In der Ferne zeichneten sich Kliffe aus rötlichem Sandstein vor dem Abendhimmel ab und ragten wie achtlos verstreut aus der Ebene auf.
Während Nathan Palmer dem Befehlshaber des Forts seine Aufwartung machte, schlug die Reisegruppe ihr Lager vor der Westseite des Armeepostens auf. Im Camp herrschte eine ausgesprochen fröhliche Stimmung. Nach der Versorgung der Tiere und dem Essen wurden sogar endlich wieder einmal die Musikinstrumente sowie Kartenspiele und Würfelbecher hervorgeholt, um den Abschluss der ersten, fast einmonatigen Reiseetappe zu feiern.
Brendan nahm die Einladung der Larkin-Brüder zu einem Kartenspiel an. Emily und Liam zog es hinüber zu den Musikanten, wo auch gleich getanzt wurde. Und Éanna begab sich an diesem Abend zu Winston Talbot, um sich von ihm in das Schachspiel einweisen zu lassen. Er saß mit seinem russischen Dienstmann Alexander, einem kräftigen jungen Mann mit fröhlichem Gesicht, am Feuer und war mit seinem Essen noch nicht ganz fertig.
»Komme ich ungelegen?«, fragte sie entschuldigend. »Sagt es nur, dann warte ich noch ein bisschen. Es hat ja keine Eile, wir müssen morgen schließlich einmal nicht in aller Herrgottsfrühe wieder los.«
»Nein, nein! Setz dich nur, Éanna«, forderte Winston sie auf und wies auf eine Proviantkiste. »Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Die paar Löffel sind schnell gegessen und je eher ich sie hinuntergewürgt habe, desto besser.«
Éanna verzog das Gesicht, als sie die halb verbrannte Pampe sah, die Winston und der Russe auf ihren Tellern hatten. »Das sieht wirklich alles andere als einladend aus«, sagte sie bestürzt. »Wer ist denn bei Euch der Koch?«
Winston deutete mit seiner Gabel auf seinen Dienstmann. »Mein guter Alexander«, sagte er schmunzelnd und dieser grinste dazu breit. »Nun ja, er gibt sein Bestes.«
»Was offenbar aber nicht viel heißt.«
Winston lachte. »Alexanders Bestes stößt zugegebenermaßen schnell an seine Grenzen. Aber seine Kochkünste fallen immerhin noch um einiges besser aus als das, was ich zustande bringe. Und um ehrlich zu sein, nicht immer ist sein Essen so angebrannt wie heute. Manchmal schmeckt es sogar fast gut. Aber ich habe ihn ja auch nicht angestellt, damit er mich am Kochtopf verwöhnt, sondern damit er mir die harte Arbeit abnimmt. Und was das betrifft, so ist an ihm wahrlich nichts auszusetzen.« Er schaute unschlüssig auf seinen Teller und kratzte dann die Reste seiner Mahlzeit in die Feuerstelle. »So, dann wollen wir mal zum angenehmen Teil des Abends kommen und uns der Faszination des Schachspiels widmen.«
Éanna war verwundert, als Winston eine sichtlich schwere Holzschatulle aus
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