Verlorene Eier
Stadtteil Queens, wo sie als Kellnerin arbeitete.
»Sie waren gerade zwischen zwei Engagements, vermute ich.«
»Angela, ich habe nie als Schauspielerin gearbeitet.«
»Aber die Handcremewerbung …«
»Nie passiert. Ich habe keine Ahnung, wieso ich das erfunden habe.«
»Erzählen Sie weiter, meine Liebe. Tut mir leid, wenn ich Sie unterbrochen habe.«
Das Restaurant lief sehr gut – vergleichbar mit dem Schuppen, in dem wir gerade sitzen –, und sie gehörte zu den besonders beliebten Kellnerinnen (zumindest vermute ich das). Unter den Stammgästen war auch eine Gruppe Männer, die sie näher kennenlernte. Sie waren nett, ein lustiger Haufen, die anständiges Trinkgeld gaben. Und einer von ihnen – das Alphamännchen – schien auf sie zu stehen. Der Mann war Phillip W. Pascocello, in seinen Kreisen auch als Philly Paintbrush bekannt.
»Was für ein ungewöhnlicher Name, meine Liebe. Klingt irgendwie nach Gangstermilieu.«
»Angela, die Typen sahen nicht aus wie Verbrecher. Sondern eher wie … keine Ahnung, Comedians oder so was.«
Philly war groß und schlank und sehr gut aussehend. In seiner Freizeit malte er. Er konnte blödeln, aber auch sehr ernst sein. In Queens eröffnete so etwas einem Mann in diesen Kreisen eine Vielzahl an Möglichkeiten.
»Natürlich hat er reihenweise Frauen flachgelegt. Zumindest hatte es für mich den Anschein. Aber mich hat er wie eine Prinzessin behandelt. Am Anfang zumindest.«
Mr Paintbrush fragte sie, ob sie Modell für ihn sitzen wollte. Sie erklärte sich bereit, auch wenn das Ergebnis keineswegs ihren Vorstellungen entsprach.
»Es war echt scheiße, wenn ich ganz ehrlich sein soll. Als Künstler taugte er nicht viel, so viel steht fest. Er könnte einfach keine Gesichter zeichnen, meinte er selbst. Aber wenn Sie mich fragen, war es mit Händen, Füßen, Armen, Beinen oder Titten auch nicht weit her …«
»Also haben Sie sich von ihm malen lassen …« Schluck. »Nackt?«
»Ich dachte, bei diesem Spitznamen müsste er ein halbwegs begabter Maler sein. Und ich fand die Idee irgendwie spannend.«
Ungeachtet des lausigen Werks fühlte sich Amber zu dem Typen hingezogen. Sie fand es sogar witzig. »Dieser Kerl ist als Maler der absolute Versager.« Es war eine süße Schwäche, die ihn für sie menschlich machte. Als er sie um eine Verabredung bat, sagte sie Ja. Er lud sie in ein schickes Restaurant in Manhattan ein, fuhr sie anschließend nach Hause und machte den ganzen Abend über keine Anstalten, ihr die Zunge in den Hals zu schieben (kein Zitat, sondern meine Umschreibung). Am Ende der nächsten Verabredung (jenem Augenblick, wenn ein Mädchen zum Entschluss gelangen muss, ob es »zuschlagen oder die Finger davon lassen« soll) stellte sie fest, dass sie nicht zweimal nachzudenken brauchte. Sie war hin und weg von ihm.
»Er war groß und attraktiv, dunkler Typ. Er brachte mich zum Lachen. Was will man mehr? Und wenn seine Bilder hundsmiserabel waren … na und? Ich habe ihn damit aufgezogen.«
»Also waren Sie mit ihm zusammen?«
»Genau.«
»Sie …«
Sie blickt auf ihr Glas. »Genau.«
Einen Moment lang weiß ich nicht, was ich sagen soll. Bei der Vorstellung, wie der gut aussehende Idiot in ihrem zarten, schlanken Körper abtaucht, würde ich am liebsten dasselbe mit meinem Jack Daniel’s tun. Amber schaut mich an. »Sie halten mich für eine Schlampe, stimmt’s?«
»Aber keineswegs, meine Liebe. Zwei gut aussehende junge Menschen. Da ist es doch völlig normal …«
Wie in jeder Beziehung lief es anfangs auch zwischen ihnen sehr gut. Doch im Lauf der Zeit kam eine andere Seite von ihm zum Vorschein. Er wurde immer schwieriger, an manchen Tagen war seine Stimmung unerklärlich trübselig. Manchmal wollte er sie tagelang nicht sehen. Es gab zwei Phillys – den netten und das Arschloch.
»Er war genauso wie die Männer in Ihren Büchern, Angela. Ich dachte dauernd, dass es doch einen Grund für seine dunkle Seite geben muss. Und wenn ich herausfinden könnte, woran es liegt, würde ich dafür sorgen, dass alles wieder gut wird.«
»Es tut mir so leid für Sie.«
»Ich dachte …« Sie schluckt. »Ich dachte, wir kriegen irgendwann unser Happy End. Mädchen sind so was von einfach gestrickt, was?«
»Jeder will gern daran glauben, dass er sein Glück findet, meine Liebe.«
In dieser Woche passierten zwei Dinge: Amber stellte fest, dass sie schwanger war. Und sie fand heraus, womit Philly in Wahrheit seinen Lebensunterhalt
Weitere Kostenlose Bücher