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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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einen gepflegten Garten. Eine Frau stand über ein Beet gebeugt. Sie richtete sich auf, als sie Lindas Schritte hörte. Linda sagte sich, daß Sara Eden, die Frau zu der sie wollte, vor ihr stand.
    »Wer sind Sie?« fragte Sara Eden streng.
    »Ich heiße Linda Wallander. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
    Sara Eden kam mit erhobenem Spaten auf Linda zu. Es gab Menschen, dachte Linda, die waren wie bissige Hunde. »Warum sollten Sie Fragen stellen dürfen?«
    »Ich suche nach einer Freundin, die verschwunden ist.«
    Sara Eden betrachtete sie mißtrauisch. »Ist das nicht die Aufgabe der Polizei? Nach verschwundenen Menschen zu suchen?«
    »Ich bin bei der Polizei.«
    »Dann darf ich vielleicht Ihren Ausweis sehen. Dazu hat man ein Recht, das hat mein älterer Bruder mir gesagt. Er war viele Jahre lang Direktor eines Gymnasiums in Stockholm. Obwohl er sich mit widerspenstigen Lehrerkollegien und noch widerspenstigeren Schülern abgeplagt hat, wurde er einhundertein Jahre alt.«
    »Ich habe noch keinen Ausweis. Ich fange erst an. Polizeianwärterin.«
    »Ich nehme an, daß man bei so etwas nicht lügt. Sind Sie stark?«
    »Ziemlich.«
    Sara Eden zeigte auf die Schubkarre, die bis zum Rand mit Gemüseresten und Unkraut gefüllt war. »Hinterm Haus habe ich einen Komposthaufen. Aber heute tut mir der Rücken weh. Das tut er sonst nicht. Vielleicht habe ich die Nacht falsch gelegen.«
    Linda packte die Griffe der Schubkarre. Sie war schwer, doch es gelang ihr, sie zum Kompost zu schieben. Dort leerte sie sie aus.
    Sara Eden zeigte eine freundlichere Seite. In einer kleinen Gartenlaube standen ein paar altmodische Cafestühle und ein Tisch. »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?« fragte sie.
    »Gern.«
    »Dann tut es mir leid, daß ich sie an den Kaffeeautomaten im Möbelkaufhaus an der Straße nach Ystad verweisen muß. Ich trinke keinen Kaffee. Auch keinen Tee. Aber Mineralwasser kann ich Ihnen anbieten.«
    »Nein, danke. Nicht nötig.«
    Sie setzten sich. Linda fiel es nicht schwer, sich vorzustellen, daß Sara Eden ihr ganzes Leben Lehrerin gewesen war. Sie betrachtete Linda vermutlich als eine potentiell widerspenstige Schulklasse.
    »Wollen Sie jetzt erzählen?«
    Linda sagte es, wie es war. Annas Spuren führten zu dem Haus hinter der Kirche. Linda bemühte sich, jede Andeutung zu vermeiden, daß sie sich Sorgen machte oder glaubte, es sei etwas Ernstes passiert.
    »Wir wollten uns treffen. Aber irgend etwas ist dazwischengekommen.«
    Sara Eden hörte Lindas Erzählung mit wachsendem Zweifel zu. »Und womit, glauben Sie, kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich versuche herauszufinden, wem das Haus gehört.«
    »Früher wußte man immer, in wessen Besitz sich ein Gebäude befand. Heute, in unserer unruhigen Welt, weiß man nicht mehr, wer ein Haus gekauft oder verkauft hat. Plötzlich stellt man fest, daß der nächste Nachbar ein gesuchter Verbrecher ist.«
    »Ich dachte, daß man in einem so kleinen Ort vielleicht etwas weiß.«
    »Ich habe gehört, daß in letzter Zeit in diesem Haus Menschen ein und aus gegangen sind. Aber es scheint nichts Störendes vorgefallen zu sein. Wenn ich es richtig verstanden habe, so gehörten die, die das Haus hatten, einer Form von Gesundheitsbewegung an. Weil mir meine Gesundheit am Herzen liegt und ich nicht beabsichtige, meinen Bruder im Himmel darüber frohlocken zu lassen, daß ich nicht ebenso lange lebe wie er, interessiere ich mich dafür, was ich esse und was ich tue. Ich bin auch nicht so konservativ, daß ich nicht wagte, auf alternative Methoden der Gesundheitspflege neugierig zu sein. Ich bin einmal zu dem Haus gegangen. Eine freundliche Dame, die Englisch sprach, gab mir ein Informationsblatt. Wie die Bewegung hieß, weiß ich nicht mehr. Aber es hatte etwas mit Meditation zu tun und damit, daß gewisse Formen von Natursäften große Bedeutung für die Gesundheit eines Menschen haben.«
    »Sind Sie danach nicht mehr hingegangen?«
    »Ich fand, daß das Ganze viel zu unklar klang.«
    »Haben Sie den Zettel noch?«
    Sara Eden nickte zum Komposthaufen hinüber. »Ich glaube kaum, daß von dem Papier noch etwas übrig ist. Nicht nur Menschen werden zu Staub, auch Papier stirbt.«
    Linda überlegte, wonach sie noch fragen konnte. Aber die gesamte Situation erschien ihr immer sinnloser. Sie stand auf.
    »Keine weiteren Fragen?«
    »Nein.«
    Sie gingen wieder zur Vorderseite des Hauses.
    »Ich fürchte den Herbst«, sagte Sara Eden plötzlich. »Ich habe Angst vor all dem Nebel,

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