Vor dem Frost
der herankriecht, all dem Regen und all den Krähen, die in den Baumwipfeln krächzen. Das einzige, was hilft, nicht den Mut zu verlieren, ist der Gedanke an die Frühlingsblumen, die ich jetzt schon pflanze.«
Linda ging durchs Gartentor.
»Vielleicht erinnere ich mich doch noch an etwas«, sagte Sara Eden.
Sie standen sich jetzt gegenüber, zwischen ihnen das Gartentor. »Ein Norweger«, fuhr sie fort. »Manchmal gehe ich zu Rune hinüber und schimpfe mit ihm, wenn sie sonntags in der Werkstatt Krach machen. Rune hat ein bißchen Angst vor mir. Er gehört zu der Sorte Mensch, die nie die Angst vor ihren Lehrern verliert. Und der Krach hört auf. Aber Rune sagte einmal, er habe gerade einen Norweger dagehabt, der getankt und mit einem Tausender bezahlt habe. Rune hat nicht häufig mit Tausendern zu tun. Und er sagte etwas davon, daß dem Norweger vielleicht das Haus gehöre.«
»Also muß ich Rune fragen?«
»Wenn Sie Zeit haben zu warten. Er macht Urlaub in Thailand. Ich will mir lieber nicht vorstellen, was er da macht.«
Linda überlegte. »Ein Norweger? Ohne Namen?«
»Ja.«
»Und kein Aussehen?«
»Nein. Wenn ich Sie wäre, würde ich die Leute fragen, die das Haus wahrscheinlich verkauft haben. Die übliche Maklerfirma hier in der Gegend ist Sparbankernas Fastighetsförmedling. Weil sie hier eine Filiale haben. Vielleicht wissen die etwas.«
Sie verabschiedeten sich. Linda dachte, daß Sara Eden ein Mensch war, über den sie gern mehr wüßte. Sie überquerte die Straße, ging am Damenfrisiersalon vorbei und betrat die kleine Sparkassenfiliale. Ein einsamer Angestellter blickte zu ihr auf. Sie brachte ihr Anliegen vor.
Die Antwort kam, ohne daß der Mann hinter dem Pult in der Erinnerung oder in Mappen suchen mußte. »Ganz richtig. Wir haben den Hauskauf vermittelt. Der Verkäufer war ein in Malmö wohnhafter Zahnarzt namens Sved, der das Haus als Sommerhaus genutzt, aber offenbar die Lust verloren hatte. Wir haben das Haus im Internet und in
Ystads Allehanda
annonciert. Es kam ein Mann aus Norwegen zu uns und wollte das Haus sehen. Ich bat einen der Makler in Skurup, sich um ihn zu kümmern. Wir halten das so, weil ich hier nur die Bankfiliale betreue und für Immobiliengeschäfte nicht zuständig bin. Zwei Tage später war das Geschäft klar. Soweit ich mich erinnerte, hat dieser Norweger bar bezahlt. Denen geht es ja nicht schlecht im Moment.«
Der letzte Satz verriet eine vage Unzufriedenheit mit der guten wirtschaftlichen Stellung des norwegischen Volkes. Aber Linda wollte nur den Namen des Norwegers wissen.
»Ich habe die Unterlagen nicht hier, aber ich kann in Skurup anrufen.«
Ein Kunde betrat die Bank, ein alter Mann, der sich auf zwei Stöcke stützte.
»Ich muß erst einmal Herrn Alfredsson drannehmen«, sagte der Mann hinter dem Pult.
Linda wartete. Es fiel ihr schwer, ihre Ungeduld zu verbergen. Es dauerte eine Unendlichkeit, bis der alte Mann fertig war. Linda hielt ihm die Tür auf. Der Mann hinterm Pult telefonierte. Nach einer Minute bekam er eine Antwort und schrieb sie auf einen Zettel. Er legte auf und schob ihr den Zettel hin. Linda las:
Torgeir Langas.
»Möglicherweise schreibt er sich mit zwei a, also
Langaas.«
»Haben Sie auch seine Adresse?«
»Sie haben nur nach seinem Namen gefragt.«
Linda nickte.
»Alles Weitere können Sie in Skurup erfahren. Darf ich fragen, warum Sie so daran interessiert sind, den Namen des Besitzers zu erfahren?«
»Ich will vielleicht das Haus kaufen«, erwiderte Linda und verließ die Sparkasse.
Sie hastete zum Auto. Jetzt hatte sie einen Namen. Ein Norweger und ein Name. Als sie die Wagentür öffnete, merkte sie, daß etwas anders war. Eine Quittung, die auf dem Armaturenbrett gelegen hatte, lag auf dem Boden, eine Streichholzschachtel lag anders als vorher. Sie hatte den Wagen nicht abgeschlossen. Jemand hatte den Wagen durchsucht, während sie weg war.
Bestimmt kein Dieb, dachte sie. Das Autoradio war noch da. Aber wer war in dem Wagen gewesen? Und warum?
Ihr erster Gedanke war unsinnig.
Mutter hat das getan. Es war Mona, die das Auto durchsucht hat, als hätte sie eine meiner Schreibtischschubladen durchwühlt.
Linda setzte sich vorsichtig in den Wagen. Sie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, ein Frösteln durchfuhr sie: eine Bombe. Etwas würde explodieren und ihr Leben auslöschen. Aber natürlich gab es keine Bombe. Ein Vogel hatte auf die Windschutzscheibe geschissen, das war alles. Jetzt merkte sie auch, daß der
Weitere Kostenlose Bücher