Wallander 06 - Die fünfte Frau
kann.«
»Wofür denn?« fragte Wallander erstaunt.
»Behinderung bei der Dienstausübung.«
»So etwas gibt es doch gar nicht.«
»Das weiß sie ja nicht. Hier hast du alle Namen. Ich glaube, am besten lesen wir schnell zusammen.«
Sie gingen die Liste durch. Keine der Frauen hatte die Initialen KA. Es war so, wie Wallander es befürchtet hatte. Eine Niete.
»Vielleicht sind es gar keine Initialen«, sagte Svedberg nachdenklich. »KA bedeutet vielleicht etwas anderes?«
»Und was sollte das sein?«
»Es gibt ja eine Katarina Taxell hier«, sagte Svedberg und wies auf einen Namen. »Die Buchstaben KA sind vielleicht nur eine Abkürzung von Katarina.«
Wallander nickte und ging die Liste noch einmal durch. Es gab keine andere Frau mit der Kombination KA. Keine Karin, keine Karoline. Weder mit C noch mit K.
»Du kannst recht haben«, sagte er. »Schreib die Adresse auf.«
»Die steht nicht da. Nur die Namen. Vielleicht ist es das beste, wenn du unten wartest, während ich noch einmal mit Ylva spreche.«
»Aber laß es dabei bewenden, daß sie der Familie keine Schande machen soll«, sagte Wallander. »Rede nicht von was Strafbarem. Das kann nachher Ärger geben. Ich muß wissen, ob Katarina |381| Taxell noch hier ist. Ich muß wissen, ob sie Besuch gehabt hat. Ich muß wissen, ob etwas Besonderes mit ihr ist. Familienverhältnisse. Aber vor allem, wo sie wohnt.«
»Das wird wohl eine Weile dauern«, sagte Svedberg. »Ylva ist gerade bei einer Geburt.«
»Ich warte«, sagte Wallander. »Wenn es sein muß, die ganze Nacht.«
Er nahm einen Zwieback aus einer Schale und verließ die Station. Als er zur Ambulanz hinunterkam, war gerade ein Krankenwagen mit einem betrunkenen und blutverschmierten Mann eingetroffen. Wallander kannte ihn. Er hieß Niklasson und hatte einen Schrottplatz am Stadtrand von Ystad. Normalerweise war er nüchtern. Aber er konnte seine Ausfälle haben und geriet dann oft in Schlägereien.
Wallander nickte den Krankenwagenfahrern zu, die er kannte. »Ist es schlimm?« fragte er.
»Niklasson ist zäh«, sagte der ältere der beiden Männer. »Das hier übersteht er auch. Sie haben sich in einer Hütte in Sandskogen geprügelt.«
Wallander ging hinaus auf den Parkplatz. Es war kalt. Er dachte, daß sie auch untersuchen mußten, ob es in Lund eine Karin oder Katarina gab. Das konnte Birch übernehmen. Es war halb zwölf. Die Türen von Svedbergs Wagen waren verschlossen. Er überlegte, ob er die Schlüssel holen sollte. Die Wartezeit konnte lang werden. Aber er ließ es sein.
Er begann, auf dem Parkplatz auf und ab zu gehen.
Plötzlich war er wieder in Rom. Vor ihm, ein Stück entfernt, ging sein Vater. Die Spanische Treppe, dann ein Brunnen. Das Glänzen in seinen Augen. Ein alter Mann allein in Rom. Wußte er, daß er bald sterben würde? Daß er die Reise nach Italien jetzt machen mußte, bevor es zu spät war?
Wallander hielt inne. Ihm steckte ein Kloß im Hals. Wann würde er endlich Zeit haben, die Trauer um seinen Vater anzunehmen? Das Leben warf ihn hin und her. Bald wäre er fünfzig. Jetzt war Herbst. Nacht. Und er ging auf der Rückseite eines Krankenhauses |382| umher und fror. Am meisten fürchtete er, daß das Leben so unbegreiflich würde, daß er nicht mehr damit zurechtkäme. Was blieb ihm dann? Vorzeitige Pensionierung? Ein Gesuch um einfachere Arbeit? Sollte er fünfzehn Jahre durch die Schulen tingeln und über Drogen und Gefahren im Straßenverkehr reden?
Das Haus, dachte er. Und ein Hund. Und vielleicht auch Baiba. Eine äußere Veränderung tut not. Damit fange ich an. Dann werde ich sehen, wie es mit mir selbst weitergeht. Meine Arbeitsbelastung ist immer groß. Ich schaffe es nicht, wenn ich mich zusätzlich noch mit mir selbst abschleppen muß.
Mitternacht war vorüber. Er patrouillierte auf dem Parkplatz. Der Krankenwagen war wieder abgefahren. Alles war still. Er wußte, daß er viele Dinge zu durchdenken hatte. Aber er war zu müde. Das einzige, was er noch schaffte, war, zu warten. Und sich zu bewegen, damit er nicht fror.
Um halb eins kam Svedberg. Er ging schnell. Wallander sah, daß er Neuigkeiten hatte. »Katarina Taxell kommt aus Lund«, sagte er.
Wallanders Spannung stieg. »Ist sie noch da?«
»Sie hat am 15. Oktober ihr Kind bekommen. Sie ist schon wieder zu Hause.«
»Hast du die Adresse?«
»Ich habe noch mehr. Sie ist alleinstehend. Und ein Vater ist nicht angegeben. Außerdem hatte sie nie Besuch, während sie hier
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