Was starke Männer schwach macht
eben.“
Schweigend beobachtete Julie, wie Tony die letzten roten Buchstaben auslöschte. Ein Anblick, der so guttat wie eine frische Brise.
„Tony, warum tust du das eigentlich?“
„Weil ich mich irgendwie dafür verantwortlich fühle“, antwortete er, ohne zu zögern. „Ich habe zwar keine Ahnung, wer das hier getan hat, aber es muss jemand von der Feuerwehr gewesen sein. Du solltest allerdings wissen, dass nicht alle von uns so tief sinken werden. Die meisten meiner Kollegen sind ganz okay.“
„Etwas anderes habe ich auch nie behauptet.“ Julie schwieg einen Moment. „Das sieht sehr gut aus“, sagte sie schließlich. „Danke.“ Insgeheim war sie erleichtert, dass er ihre Aufforderung ignoriert hatte. Sie hätte beim besten Willen keine Zeit gehabt, sich selbst darum zu kümmern.
Tony grinste. „Keine Ursache.“
Julie spürte, wie ihr innerer Widerstand gegen ihn immer weiter bröckelte. Und obwohl ihr bewusst war, wie gefährlich das war, konnte sie nichts dagegen tun. „Komm doch rein, etwas trinken“, sagte sie spontan. „Du darfst auch am Tresen sitzen und dir einbilden, wieder bei Brady’s zu sein.“
„Das klappt aber nur, wenn du mir warmes Bier servierst. Und einen Minirock und ein rückenfreies Oberteil trägst wie Bradys Kellnerinnen.“
„Träum weiter. Du wirst dich mit kalter Limonade und ausgeblichenen Jeans begnügen müssen.“
Langsam ließ Tony den Blick über ihren Körper wandern. Julie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Bei jedem anderen Typen hätte sie sich jetzt extrem unwohl in ihrer Haut gefühlt. Doch Tonys Blick war so … anerkennend. Sie kam sich schön und sexy vor anstatt erniedrigt.
Als sie gerade wieder reingehen wollte, sprang ihr plötzlich etwas ins Auge – ein kleiner roter Fleck auf der beigefarbenen Hauswand. Sie trat einen Schritt näher, um ihn genauer zu betrachten.
Tony räusperte sich verlegen. „Das solltest du eigentlich noch gar nicht sehen“, sagte er.
Es war ein kleines rotes Herz. Daneben standen Tonys Initialen.
„Eigentlich wollte ich das Graffito einfach nur übermalen und dann verschwinden, ohne dass du mich siehst. Es sollte eine Überraschung werden. Doch dann habe ich spontan beschlossen, dir einen kleinen Hinweis zu hinterlassen.“
„Damit ich mich bei dir bedanken kann?“
„Ich hatte eher darauf gehofft, dass du endlich mit mir ausgehst.“
Verdammt! Wie sollte sie nur reagieren? Er machte es ihr wirklich schwer, wütend auf ihn zu sein.
Tony hielt ihr mal wieder die Tür auf, und zwar so geschickt, dass sie ihn beim Reingehen unwillkürlich streifte. Der Typ hatte es echt raus.
Julie holte zwei Dosen Limonade aus dem kleinen Kühlschrank hinter der Bar und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. Leider gab es keine. Die alten Möbel waren alle verkauft, und die neuen Tische und Stühle würden erst nach Abschluss der Renovierungsarbeiten geliefert werden.
Tony löste das Problem, indem er sich kurzerhand auf den Tresen setzte. „Komm doch mit, die Aussicht von hier oben ist fantastisch.“
Da Julie keine Lust hatte, auf dem Fußboden zu sitzen, folgte sie seinem Beispiel – und saß kurz darauf so dicht neben ihm, dass sie seine Körperwärme spüren konnte.
Aus diesem Blickwinkel hatte sie den Tearoom noch gar nicht gesehen. Von hier oben sah er wirklich gigantisch aus. Nicht so groß wie das Lochinvar’s, aber immer noch ziemlich einschüchternd.
„Erzähl mir von deinen Plänen“, sagte Tony. „Was für Gerichte wirst du im Tearoom servieren?“
„Ich arbeite noch an den Details, aber es soll verschiedene Salate, Suppen, Quiches und Fisch- und Geflügelgerichte geben.“
„Keine Burger?“
„Nein, nur Sandwiches.“
„Und was ist mit Ribs?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Nur über meine Leiche!“
„Also nichts für Männer?“
„Gibt es ein Gesetz, das es Männern verbietet, Salate oder Klub-Sandwiches zu essen?“
„Servierst du auch Alkohol?“
„Nur Wein.“
Tony seufzte. „Und was ist mit den Geschäftsmännern? Mit ein paar Steaks, Chili, Burgern und vielleicht einer dieser angesagten neuen Biersorten …“
„Ich will hier keine angeheiterten lauten Männer, das schreckt nur die weiblichen Gäste ab. Sie sollen in Ruhe das Ambiente genießen und sich unterhalten können. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, für die Mittagszeit gelegentlich eine Harfenistin zu engagieren.“
Tony stöhnte laut auf.
„Damit jagst du mir keine Angst ein. Du bist
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