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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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einer Frau verantwortlich machen, die sie nur einmal getroffen hat«, sagte Susan, als gebe es gar keinen Zweifel an der Absurdität einer solchen Behauptung. »Sie ist doch keine Zauberin, oder?« Sie lehnte sich in die Couch zurück, zog an ihrer Zigarette und betrachtete mich durch den Rauch, schätzte meine Reaktion ab.
    Allmählich bekam ich es mit der Angst zu tun. Die beiden konnten es tatsächlich schaffen. Ich sah plötzlich, wie leicht sich dieser Strauß aus Oleander und Nachtschattengewächsen zu einem Lorbeerkranz winden ließ. »Aber ich mache sie dafür verantwortlich, Susan.«
    »Erzähl es mir«, sagte sie, während sie die Zigarette in der linken Hand hielt und sich mit der rechten ein paar Notizen auf dem gelben Schreibblock machte.
    »Meine Mutter hat getan, was sie nur konnte, um Claire aus meinem Leben verschwinden zu lassen«, sagte ich. »Claire war zerbrechlich, und meine Mutter wusste genau, wo sie zustoßen musste.«
    Susan zog an ihrer Zigarette, blinzelte in den Rauch. »Und wieso sollte sie das tun?«
    Ich drückte mich von der Wand ab und trat zum Hutständer hinüber. Ich wollte sie nicht länger ansehen, oder besser gesagt, ich wollte nicht, dass sie mich noch länger ansah und mich taxierte. Ich setzte mir einen alten Hut auf und betrachtete sie im Spiegel. »Weil Claire mich geliebt hat.« Es war ein Strohhut mit einem Netzschleier; ich zog mir den Schleier über die Augen.
    »Du hattest das Gefühl, sie wäre eifersüchtig«, sagte Susan in mütterlichem Tonfall und spie Rauch in die Luft wie ein Oktopus, der seine Tinte verspritzt.
    Ich rückte den Schleier zurecht, dann klappte ich die Hutkrempe um. »Sie war extrem eifersüchtig. Claire war nett zu mir, und ich habe sie geliebt. Das konnte sie nicht ertragen. Nicht, dass sie mich je besonders beachtet hätte, als sie noch die Gelegenheit hatte, aber wenn jemand anderes das tat, konnte sie es auch nicht aushalten.«
    Susan beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Augen zur Rauputzdecke erhoben, und ich konnte ihren Verstand klicken hören; ein mechanischer Prozess, ein Abklopfen und Umdrehen dessen, was ich ihr gerade erzählt hatte, auf der Suche nach einem Vorteil für sich. »Aber welche Mutter wäre nicht eifersüchtig«, sagte sie. »Eifersüchtig, wenn die eigene Tochter ihre Pflegemutter gern hat. Offen gesagt.« Sie schnippte ihre Asche in den Aschenbecher und rührte mit der glühenden Zigarettenspitze auf dem Boden des Gefäßes herum.
    Ich drehte mich zu ihr und schaute sie durch den Schleier an, froh, dass sie die Angst in meinen Augen nicht sehen konnte. »Offen gesagt, hat sie Claire umgebracht. Sie hat sie über die Klippe in den Abgrund gestoßen, okay? Vielleicht kann sie dafür nicht gerichtlich belangt werden, aber versuchen Sie nicht, mir diese neue, beschönigte Wendung zu verkaufen. Sie hat Claire umgebracht, und sie hat Barry umgebracht. Kommen Sie doch einfach zum Thema und sagen mir, was Sie von mir wollen.«
    Susan seufzte und legte ihren Stift hin. Sie zog wieder an ihrer Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher aus. »Du bist eine ganz schön harte Nuss, was?«
    »Sie sind diejenige, die eine Mörderin frei herumlaufen lassen will«, sagte ich. Ich nahm den Hut ab und warf ihn auf den Sessel, dabei schreckte ich die weiße Katze auf, die aus dem Zimmer lief.
    »Man hat ihr einen ordnungsgemäßen Prozess vorenthalten. Das kann man alles in den Gerichtsprotokollen nachlesen«, sagte Susan und schlug mit der Handkante in die Fläche der anderen Hand. Ich sah sie vor mir, wie sie im Gerichtssaal stand und mit ihren Gesten auch die Hörbehinderten an ihrem Plädoyer teilhaben ließ. »Der Pflichtverteidiger hat bei ihrer Verteidigung doch keinen Finger krumm gemacht.« Ein anklagender Zeigefinger mit rotlackiertem Nagel. »Man hat sie unter Drogen gesetzt, mein Gott, sie konnte kaum sprechen. Es steht alles in der Akte, die Dosis und so weiter. Und niemand hat etwas dagegen gesagt. Die Anklage hatte keinerlei handfeste Beweise.« Die Handflächen nach unten gerichtet, zog sie die gekreuzten Arme ruckartig auseinander wie ein Baseball-Schiedsrichter beim »Safe«. Sie kam jetzt richtig in Schwung, doch ich hatte genug gehört.
    »Und was soll für Sie dabei rausspringen?«, unterbrach ich sie, so trocken und unbeeindruckt, wie ich konnte.
    »Der Gerechtigkeit ist nicht Genüge getan worden«, sagte sie mit fester Stimme. Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie auf den Stufen des

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