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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Gedicht darüber schreiben.
    Doch ich konnte mir auch vorstellen, dass sie einen schrecklichen Fehler beging, ein falsches Urteil fällte. Ich malte mir aus, wie wir in einer Rettungsinsel auf See trieben, zehn Tagesreisen von der nächsten Schifffahrtsstraße entfernt, Fischsaft auspressten, morgens jeden Tropfen Wasser vom sauberen Deck aufsaugten und sie urplötzlich entschied, dass Seewasser doch trinkbar war. Ich sah sie vor mir, wie sie mitten zwischen den Haifischen baden ging.
    »Astrid, komm, hilf mir mal!«, rief Marvel. Sie trat aus der Küche auf die Stufen des Hintereingangs, wo ich gerade saß und die Kinder beaufsichtigte. Sie verdrehte den Kopf, um das Foto in meinem Buch zu sehen, fünf schwarz angemalte Franzosen, die bei Tage das Quaza-Becken in Ägypten zu durchqueren versuchten. »Liest du immer noch dieses Buch? Du solltest dir vielleicht mal überlegen, zur Armee zu gehen, wenn dir solcher Kram gefällt. Die versorgen ihre Leute prima. Jetzt, wo sie auch Frauen zulassen, würdest du da bestimmt gut klarkommen. Du kannst hart arbeiten und weißt, wann du besser den Mund hältst. Komm, hilf mir mal mit den Einkäufen.«
    Ich ging mit hinaus und half ihr, die Suppendosen, Sodawasserflaschen, Käse in Scheiben und Familienpackungen mit Schweinerippen auszuladen, größere Lebensmittelmengen als ich je zuvor gesehen hatte. Die Armee, dachte ich, wie wenig sie mich doch kennt! Ich wusste ihr Interesse zu schätzen; inzwischen glaubte ich, dass sie mich wahrscheinlich wirklich irgendwo gut untergebracht sehen wollte, mit einem anständigen Gehaltsscheck in der Tasche. Doch lieber würde ich allein in der Wüste leben wie die alten Goldsucher. Alles, was ich dazu brauchte, war eine kleine Wasserquelle. Was machte es schon für einen Sinn, einsam mitten unter den Menschen zu leben? Wenn man für sich war, hatte man wenigstens einen guten Grund, sich allein zu fühlen.
    Noch besser wäre allerdings eine Holzhütte in den Wäldern, dachte ich, während ich Kakaopakete und Limonadenpulver in den Schränken verstaute; Schnee im Winter, umgeben von zerklüfteten Felsen, man würde nur zu Fuß dorthin kommen. Ich würde mein eigenes Holz fällen, mir ein paar Hunde halten, vielleicht auch ein Pferd, scheffelweise Lebensmittel bunkern und jahrelang dort bleiben. Ich würde eine Kuh halten, einen Gemüsegarten anlegen; die Sommer wären zwar kurz, doch ich würde trotzdem genug ernten, um über die Runden zu kommen.
    Meine Mutter hasste das Land, sie konnte es kaum erwarten, von dort wegzukommen. Als wir noch zusammen waren, hatte mir das Stadtleben gefallen: donnerstags freien Eintritt ins Museum in der Innenstadt, sonntags Konzerte, regelmäßige Dichterlesungen; ihre Freunde traten auf, malten oder fertigten Gipsabdrücke von ihren Körperteilen an. Doch was hatte ich jetzt schon vom Leben in der Stadt? Seit ihrer Verhaftung war ich in keinem Museum mehr gewesen. An ebendiesem Morgen hatte ich zufällig einen Zeitungsartikel über eine Georgia-O’Keeffe-Ausstellung im L. A. County Art Museum gesehen und Marvel gefragt, ob sie mich dorthin fahren könne.
    »Oh, Verzeihung, Prinzessin Gracia Patricia«, hatte Marvel erwidert. »Was kommt als Nächstes? Die Oper womöglich? Sei so gut und wechsle Caitlin die Windel, ich muss mal eben zum Klo.«
    Ich rief bei der Busgesellschaft an, und man sagte mir, dass die Fahrt drei Stunden hin, drei Stunden zurück dauern würde. Allmählich dämmerte mir, wie weit ich tatsächlich von da entfernt war, wo ich mal angefangen hatte.
    Wenn man in der Wüste eine Panne hat, muss man schnell handeln. In der Mojave-Wüste können ohne weiteres sechzig Grad im Schatten herrschen. In einer Stunde schwitzt man dann etwa eineinhalb Liter Flüssigkeit aus. Menschen können vor Durst verrückt werden. Man tanzt, singt und umarmt schließlich einen Saguarokaktus in der Illusion, dass er etwas ganz anderes ist. Der Geliebte, die Mutter, Christus. Dann rennt man blutend davon und stirbt. Um in der Wüste zu überleben, muss man mindestens einen Liter Wasser pro Tag trinken. Es hat keinen Zweck, Wasser zu rationieren; was man immer in all diesen Filmen sieht, stimmt nicht. Weniger zu trinken ist bloß eine langsamere Form, Selbstmord zu begehen.
    Ich dachte darüber nach, was das bedeutete, während ich die Riesenpackung Wegwerfwindeln und das Toilettenpapier ins Bad trug. Zu hoffen ist eine Sache, aber man muss auch in der Gegenwart auf sich achten, sonst überlebt man nicht. Man legt

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