Wellenbrecher
Das Mädel ist anscheinend bildhübsch, sehr groß, sieht aus wie fünfundzwanzig, hat das Zeug zum Starmodel und erregt überall Aufsehen. Ihre Eltern leben getrennt und streiten wie Katz und Hund - ihre Mutter ist eifersüchtig auf sie - ihr Vater hat eine Freundin nach der anderen - sie ist im vierten Monat schwanger von Harding - lehnt einen Abbruch ab - weint sich an seiner männlichen Brust aus, wann immer sie sich sehen« - er zog sarkastisch eine Braue hoch -, »was wahrscheinlich der Grund ist, warum er sie so attraktiv findet - und ist so verrückt darauf, das Kind zu bekommen, und so verrückt nach Liebe, daß sie zweimal damit gedroht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Hardings geplante Patentlösung des ganzen Dilemmas war, sie auf der Crazy Daze nach Frankreich zu entführen, wo sie« - wieder ein sarkastisches Hochziehen der Augenbraue - »ihren Liebestraum hätten leben können, ohne daß ihre Eltern die geringste Ahnung gehabt hätten, wo sie ist und mit wem.«
Maggie lachte. »Ich habe Ihnen ja gesagt, er ist ein guter Samariter.«
»Eher ein Blaubart. Das Mädchen ist fünfzehn.«
»Und sieht aus wie fünfundzwanzig.«
»Sagt Harding.«
»Glauben Sie ihm nicht?«
»Na ja, sagen wir mal, wenn ich eine Tochter hätte, würde ich ihn nicht in ihre Nähe lassen«, antwortete er sachlich. »Er hat nichts als Sex im Kopf, ist hoffnungslos in sich selbst verliebt und so moralisch wie ein Straßenkater.«
»Mit anderen Worten, er ist dem hinterhältigen Wiesel, mit dem ich verheiratet war, sehr ähnlich?« fragte sie trocken.
»Ohne Frage.« Er lachte sie an. »Aber ich bin natürlich voreingenommen.«
Ihre Augen blitzten amüsiert. »Und was ist passiert? Paul und Danny haben ihm dazwischengefunkt, und der ganze schöne Plan ist geplatzt?«
Er nickte. »Als er sich ausweisen mußte, wurde ihm klar, daß es keinen Sinn hatte, an dem Plan festzuhalten, und er signalisierte seiner Freundin, die Sache zu vergessen. Danach hat er am Sonntag abend auf seinem Rückweg nach Lymington per Handy ein tränenreiches Gespräch mit ihr geführt, konnte aber seitdem nicht mehr mit ihr reden, weil er sein Handy nicht dabei hatte oder in einer Zelle saß. Sie hatten vereinbart, daß sie ihn anrufen sollte, und da er nichts von ihr gehört hat, befürchtet er, sie könnte sich das Leben genommen haben.«
»Aber das hat sie nicht, oder?«
»Nein. Eine der Nachrichten auf seinem Handy war von ihr.«
»Trotzdem - der arme Kerl. Sie haben ihn wieder eingesperrt, nicht? Er macht sich bestimmt schreckliche Sorgen. Hätten Sie ihn nicht wenigstens mit ihr sprechen lassen können?«
Ihre Reaktion erstaunte ihn. Er hätte gedacht, ihr Mitgefühl würde dem Mädchen gelten. »Nicht gestattet.«
»Ach, kommen Sie«, sagte sie aufgebracht. »Das ist doch einfach grausam.«
»Nein. Vernünftig. Ich persönlich würde ihm keinen Schritt über den Weg trauen. Er hat mehrere Straftaten verübt, vergessen Sie das nicht. Tätlicher Angriff auf Sie, Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen, Verabredung zur Entführung, ganz abgesehen von Erregung öffentlichen Ärgernisses durch unsittliche Handlungen -«
»Du lieber Gott! Sie haben ihm doch nicht etwa eine Klage angehängt, weil er eine Erektion hatte?«
»Noch nicht.«
»Sie sind wirklich grausam«, sagte sie verärgert. »Das Mädchen, das er durch den Feldstecher beobachtet hat, war doch offensichtlich seine Freundin. Wenn Sie so pingelig sind, hätten Sie Martin jedesmal verhaften müssen, wenn er mir die Hand auf den Hintern gelegt hat.«
»Das konnte ich nicht«, entgegnete er in vollem Ernst. »Sie hatten nie was dagegen, also war’s keine tätliche Beleidigung.«
»Und was ist mit Unsittlichkeit?« fragte sie mit einem Zwinkern.
»Ich habe ihn nie mit runtergelassenen Hosen erwischt«, antwortete er bedauernd. »Ich hab’s ja versucht, aber er war jedesmal zu schnell.«
»Machen Sie mich an?«
»Nein«, sagte er. »Ich werbe um Sie.«
Schlaftrunken blickte Sandy Griffiths auf die Leuchtzeiger ihrer Uhr, sah, daß es drei war, und versuchte sich zu erinnern, ob William Sumner am Abend weggegangen war. Wieder hatte etwas ihren kostbaren Schlaf gestört, den sie sich hier stundenweise zusammenstehlen mußte. Sie glaubte, das leise Einschnappen der Haustür gehört zu haben, war sich jedoch nicht sicher, ob das Geräusch real gewesen war oder nur geträumt. Sie horchte auf Schritte draußen auf der Treppe, aber sie hörte nichts. Schließlich
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