Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
draußen...«
Sie zog mit ausdruckslosem Gesicht die Decke enger und schloss schließlich die Augen.
Blitze zuckten wild und tauchten den Gang in unheimliches, bläuliches Licht.
Ein gewaltiger Donnerschlag hallte durch den sturzbachartigen Regen und ließ alle zusammenzucken. Tyark kehrte schnell zu den anderen zurück und setzte sich fröstelnd auf den kalten Steinboden. Muras sagte: »Ich denke, wir können Feuer machen... ich glaube kaum, dass die Männer der Gräfin das Feuer hier unten sehen können. Hoffe ich zumindest.«
Tyark nickte stumm und begann damit, einzelne Holzreste und Flechten aufzusammeln, die sich unter der Öffnung in der Decke angesammelt hatten. Er sagte: »Viel ist es nicht, aber es wird zumindest für ein kleines Feuer reichen.«
Ihre Gespräche ebbten schnell ab und noch bevor das Feuer abgebrannt war, fielen alle in den tiefen Schlaf der vollkommenen Erschöpfung. Während sich das Gewitter langsam an den Horizont zurückzog und nur noch ein stetiger Regen auf den Sumpf niederprasselte, begann Tyark zu träumen.
***
Die vergangenen Jahre waren nur noch als ferne, traurige Schatten in ihren tiefen Augen zu erkennen. Die Frau bereitete ein bescheidenes Mahl in ihrer kleinen Hütte zu. Hier mitten im Wald hatte sie schon lange keinen Besuch mehr erhalten. Doch heute würde sie nach so langer Zeit endlich ihre Schwester sehen können, endlich!
Ihr Herz glühte vor Vorfreude und schwesterlicher Liebe - längst vergessen waren die Alpträume und dunklen Ahnungen, als sie tiefe Dunkelheit in den einst hellen Augen ihrer Schwester gesehen hatte.
Liebevoll bereitete sie die selbstgeernteten Früchte zu, bald würde sie bei ihr sein. Vielleicht konnte sie sogar mit ihrer Schwester gehen, wie diese es in ihrem Brief geschrieben hatte, vielleicht würde alles wieder wie in ihren Kindertagen, vielleicht...
Verträumt wickelte die Frau ein langes, blondes Haar um ihre Finger, welches sie vor einigen Jahren von ihrer Schwester geschenkt bekommen hatte.
Heute war ihr Geburtstag und der anstehende Besuch war das schönste Geschenk, das sie seit Jahren erhalten hatte. Selbst dieser kleine, silberne Spiegel war nur ein Stück Metall, gemessen an der Wertschätzung, die ihre Schwester durch den beschwerlichen Gang hierher auf sich nahm.
Die Frau lächelte zart und summte eine helle Melodie, in der die zahlreichen Bienen und Hummeln draußen in der Sonne zuzustimmen schienen. Dann klopfte es zaghaft an der Tür. Ein Lachen entflog der zur Tür eilenden Frau. Doch als sie die Tür öffnete, erstarb ihr Lachen für immer und Grauen erfüllte ihre geweiteten Augen. Uralte Finsternis brandete in den Raum hinein wie eine Flut.
***
Tyark schreckte auf. Aus dem Loch in der Decke über ihnen drang trübes Licht herein, das Unwetter schien sich verzogen zu haben, nur leichter Regen und kräftiger Wind waren noch zu hören. Er richtete sich auf und rieb sich die Schläfen. Wieder hatte er von der namenlosen, schwarzhaarigen Frau geträumt. Und über die Zeit hatte sich eine Geschichte entwickelt, welche er nur mühsam überblicken konnte. Woher kamen diese Träume? Was wollten sie ihm sagen?
Er grübelte eine Weile still vor sich hin und schließlich verstand er langsam, von wem er die ganze Zeit geträumt haben musste. Der silberne Spiegel und die Haarlocke waren mit Sicherheit dieselben, die sie in der Hütte in den Graten gefunden hatten! Die Hütte, in der vor fast 40 Jahren die seltsame Frau namens Noijana gelebt haben musste, von der ihnen Mandolf damals in Schwarzbach erzählt hatte. Die Frau, die eines Tages spurlos verschwunden war.
Sein Magen krampfte sich zusammen. Er ahnte dunkel, dass die Traumgeschichte bald ihr Ende finden würde. Etwas Entsetzliches musste Noijana zugestoßen sein. Etwas, das wie ein fernes Echo in seinen Träumen Widerhall fand. War auch Noijana der furchtbaren Frau aus seinen Träumen begegnet? War auch sie ein Opfer der Medusa geworden?
Tyark wusste nicht, ob er wirklich bereit war, die ganze Wahrheit zu erfahren, ob er sie überhaupt erfahren wollte . Etwas in ihm flüsterte, dass Unwissenheit manchmal ein Segen sein konnte.
Gedankenverloren blickte er zu Zaja, die sich gestern Abend neben ihn gelegt hatte. Ihre grünen Augen waren geöffnet und blicken ihn voll tiefer Ruhe an. Ein nachdenkliches Lächeln lag auf ihren Lippen. »Alles in Ordnung? Hast du wieder schlecht geträumt?«
Tyark ergriff ihre Hand und küsste sie rasch. Mit einem, wie er fand, etwas
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