Wenn das Herz im Kopf schlägt
gefällt ihr gar nicht.
Die Rinderkraftbrühe setzt sie selber auf. Rindfleisch ist zur Zeit günstig. Das werden bestimmt hundert Personen. Da muss sie sich um Aushilfen kümmern. Nicht dass Frederike erst einen Tag vorher Bescheid sagt.
Sie zieht die Strickjacke über, geht in die Garage und lädt drei Klappkisten und zwei Kühlboxen in ihr Auto. Der Großmarkt öffnet um sieben Uhr. Sie gehört zu den ersten Kunden.
Gezielt streicht sie ihre Einkaufliste ab. Tiefkühlgemüse, einen Schweinelachs, frisches Gemüse, Rindfleisch und Konserven. Milch, Sahne, Butter, Eier und Käse. Eine Rechnung für die Steuer. Wacholder, Obstler und Fernet kauft sie im Supermarkt. Ein bisschen was muss sie schließlich auch verdienen!
Auf dem Rückweg fährt sie bei Lüders vorbei. Ludwig ist seit Freitag nicht mehr bei ihr gewesen. Wenigstens mal nachfragen will sie, ob alles in Ordnung ist.
Als sie aus dem Auto steigt, hört sie Amseln streiten und in der Ferne das gleichmäßige Rauschen der Landstraße. Irritiert sieht sie sich um. Irgendetwas fehlt! Aber was? Sie geht über den Innenhof zum Deelentor, öffnet die kleine hölzerne Tür im Tor und durchquert den großen Raum. Jetzt weiß sie es. Yak! Das Hoftor stand auf, und auch hier auf der Deele kommt der große Schäferhund ihr nicht entgegengesprungen.
Sie zieht die Metalltür zur Küche auf. Klara Lüders fährt erschrocken auf ihrem Stuhl herum.
»Tag, Klara, tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Wo ist denn Yak?«
»Ach, Ruth, ich habe dich gar nicht kommen hören.«
Ruth Holter setzt sich an die schmale Seite des Tisches.
Klara sitzt an der Längsseite und schält Kartoffeln. Die blaue Plastikwanne zwischen Bauch und Küchentischkante geklemmt, fallen lange Korkenzieherschalen in die Wanne. Sie schneidet die Kartoffel in der Mitte durch und wirft die beiden Hälften in den Topf. »Yak ist tot. Jörg bringt ihn gerade zum Abdecker.«
»Der war doch höchstens fünf Jahre alt?«
»Ja«, Klara hebt kurz die Schultern, »aber er war auch so ein Allesfresser. Jörg meint, er war vielleicht im Abstellraum neben der Scheune und hat von dem Dünger oder dem Rattengift gefressen. Jedenfalls lag er heute Morgen tot im Hof.«
»Ach, das tut mir aber leid.« Ruth zieht ihre Strickjacke um ihre dürre Gestalt und verschränkt die Arme. »Wie geht es Ludwig? Ich habe ihn, seit Gietmann tot ist, nicht mehr gesehen.«
»Er sitzt in der Stube. Das mit Gietmann hat ihn mitgenommen. Er hatte keine Lust auf das Gerede im Dorf.«
Ruth zieht ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug aus der Handtasche. »Darf ich?«
Klara beugt sich nach rechts, angelt einen Aschenbecher vom Küchenschrank und reicht ihn ihr. »Hast du die Anzeige gelesen?« Sie sieht Ruth nicht an, gräbt mit ihren schmutzigen Fingern in den Schalen und zieht eine weitere Kartoffel hervor.
»Ja, und weißt du was? Ich habe sie schon morgens gesehen, ohne mir was dabei zu denken.«
»Die Polizei war hier. Ludwig sagt, der hat nach Behrens und dem Pachtvertrag gefragt.« Sie legt ihre Hände mit Messer und Kartoffel auf den Schalenberg. »Was hat das denn damit zu tun? Müssen die denn jetzt überall herumgraben?« Sie klingt weinerlich.
Ruth nimmt einen tiefen Lungenzug. »Lass sie doch. Es ist doch alles in Ordnung. Ihr habt den Hof auf Erbpacht erworben, den Rest hat Anna bekommen. Was soll passieren?«
Für einen kurzen Augenblick treffen sich ihre Blicke über dem Kochtopf.
»Aber die Anzeige, Ruth. Diese schreckliche Anzeige.« Ihre Hände nehmen, ohne dass sie hinsehen muss, die Arbeit wieder auf. Ihre Stimme fällt zu einem Flüstern ab.
»Ludwig hört das nicht gerne, aber Gottes Wege sind unergründlich.«
Der Gerhard hat seinen eignen Vater bei der Polizei verleumdet, und gestern hat Jörg sich die halbe Nacht mit seinem Vater deswegen gestritten. Die ganze Familie fällt auseinander.
Aber das sagt sie nicht.
»Ach Klara!« Ruth drückt ihre Zigarette energisch in den Aschenbecher. »Gietmann hatte eine Menge Kontakte in der Stadt. Vielleicht ist er da jemandem auf die Füße getreten.« Sie packt ihre Zigaretten ein und steht auf. Durch den feinen Schleier der Gardine sieht sie Jörgs Auto auf den Hof fahren. »Jörg ist zurück. Ich schau noch kurz bei Ludwig rein, dann muss ich los.«
- 30 -
Die Kanzlei ist so altmodisch gediegen wie die Dame am Empfang. Er sitzt ihr gegenüber und bewundert, mit welcher Geschwindigkeit ihre Finger über die Computertastatur rasen. Der Steg
Weitere Kostenlose Bücher