Wenn das Herz im Kopf schlägt
und reicht Kley die Hand. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Sie haben mir wirklich geholfen.« Es liegt ihm auf der Zunge zu fragen, warum Johann Behrens im Gefängnis war, aber das wäre ihm peinlich. Schon die Bemerkung des Pastors – aber das müssen Sie doch wissen – war ihm unangenehm gewesen. Außerdem konnte er das nachher im Büro herausfinden.
Aber etwas anderes interessiert ihn noch. »Sagen Sie Herr Kley, wissen Sie zufällig, was aus Johann Behrens Frau geworden ist?«
Kley sieht ihn an, als hätte er gerade ohne anzuklopfen den Raum betreten.
»Ja aber ... wissen Sie das denn nicht? Johann Behrens hat seine Frau erschlagen. Darum saß er doch im Gefängnis.«
- 31 -
Gegen vierzehn Uhr erreicht er das Präsidium. Der große rote Backsteinbau döst in der Sonne. In der Zentrale sitzt der Kollege, der seinen Telefondienst versieht, über ein Kreuzworträtsel gebeugt.
»Hallo«, Böhm klopft kurz gegen die Panzerglasscheibe, »sind die anderen oben?«
»Nee, Moment. Ich soll dir von Achim und Joop ausrichten, sie sind drüben im
Ratskeller
zum Essen.«
Böhm schaut auf die Uhr. »Haben die gesagt wie lange?«
Der Beamte schüttelt den Kopf. »Die sind höchstens zehn Minuten weg. Außerdem haben sie gesagt, du sollst nachkommen.«
Böhm nimmt die Treppe in den dritten Stock, immer zwei Stufen auf einmal. Mal sehen, was Joop ausgegraben hat und ob die Kollegen aus Duisburg sich schon wegen des Internetcafés gemeldet haben. Wieso fühle ich mich auf dem richtigen Weg, obwohl ich keinen Hinweis habe, dass diese alte Geschichte etwas mit Gietmann zu tun hat?
Begrenzt ist das Leben, doch unendlich die Erinnerung
. Das hast du geschrieben! Das hast du nicht so gemeint, wie man es üblicherweise in einer Todesanzeige versteht. Du willst, dass die Welt etwas über Gietmann erfährt. Dafür warst du bereit, ein hohes Risiko auf dich zu nehmen.
»Böhm!«
Er dreht sich erschrocken um. Unmittelbar hinter ihm steht ein Kollege der Drogenfahndung.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, warum nicht?«
»Weil ich dir jetzt schon zweimal Guten Tag gesagt habe und du nicht reagierst.«
»Oh, tut mir leid. Ich bin in Gedanken.«
»Die Gietmann-Geschichte?«
Sie gehen nebeneinander weiter.
»Steeg hat bei uns schon angefragt, aber unsere Klientel kommt da nicht in Frage. Nicht so. Der Tathergang, das Opfer und vor allem die Anzeige. Das passt nicht!«
Böhm hebt kurz die rechte Hand und biegt links in den Flur ab. »Trotzdem! Danke fürs Überprüfen!« Er verschwindet in sein Büro. Die Sonne scheint jetzt direkt in sein Fenster, es ist warm und stickig. Er schaltet den PC ein. Die Ikons auf dem Desktop gehen im Sonnenlicht unter. Er steht auf und zieht das Rollo bis zur Mitte des Fensters. Eigentlich schade. Er hat so lange auf Sonne gewartet.
Plötzlich fällt es ihm wieder ein. Er öffnet den Ordner
Gietmann
und die Datei
Adressen und Telefon
. Dann wählt er die Nummer des Pfarramtes.
Rudenau meldet sich selber.
»Böhm noch mal. Herr Rudenau, ich habe heute Morgen vergessen zu fragen, ob Sie Gerhard Lüders kennen?«
Am anderen Ende ist es für einen Augenblick totenstill. »Ja, ich kenne Gerhard Lüders, aber wenn Sie denken, der hätte was damit zu tun, dann irren Sie sich. Der Mann ist am Ende.«
»Haben Sie Kontakt zu ihm?«
»Zwei- oder dreimal war er hier. Aber das ist schon ein paar Monate her.«
Böhm nimmt seine Brille ab und kaut an einem Bügelende. »Ich hatte den Eindruck, dass der Mann Hilfe braucht. Ich wollte Sie bitten, vielleicht mal nach ihm zu sehen.«
Als die Stimme am anderen Ende wieder spricht, ahnt Böhm das feine, bittere Lächeln. »Ich habe das bereits mehrmals getan, Herr Böhm. Herr Lüders wünscht keine weiteren Besuche von mir. Er hat gesagt: ›Gott sorgt nicht für Gerechtigkeit.‹ Das müsse er selbst in die Hand nehmen. Aber es spricht sehr für Sie, dass Sie anrufen.«
Böhm legt seine Brille auf die Tastatur. »Gut, dann kann man nichts machen, oder gibt es eine andere Möglichkeit?«
»Ich werde mit Jörg Lüders sprechen. Er hat einen ganz guten Kontakt zu seinem Bruder. Und vielleicht Frau Lüders, seine Mutter.«
»Vielen Dank.« Böhm legt auf.
Dann öffnet er die Sammeldatei für den Tag. Die Kollegen in Duisburg haben Personalprobleme und kommen vor morgen nicht dazu, jemanden ins Internetcafé zu schicken. Der von Gietmann entlassene Arbeiter lebt in Osnabrück und war auch zur Tatzeit dort. In den beiden Prozessen, die gegen
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