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Wenn das Herz im Kopf schlägt

Wenn das Herz im Kopf schlägt

Titel: Wenn das Herz im Kopf schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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der sie in den Tagen der Trauer um Andreas gesprochen hat.
    Er starrt auf seine Hände. Einzelne Steine des Armbandes zwischen Daumen und Zeigefinger, dreht er das Band weiter, indem er nachgreift und Stein für Stein durch seine Finger schiebt. Wie einen Rosenkranz.
    »Gibt es einen anderen?« Er beißt die Zähne fest zusammen, erwartet den Schlag ihrer Antwort.
    »Das glaubst du nicht wirklich?«
    Er hebt den Kopf und sieht ehrliches Entsetzen in ihren Augen. Er spürt, wie sein Kiefer sich löst und die Erleichterung ihm Tränen in die Augen treibt. »Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren!« Er greift nach ihren Händen, die sich ineinander verkrampft haben.
    Sie senkt den Kopf. Sie flüstert: »Das kann auch so sein, Peter. Nicht an einen anderen Mann, aber an den Tod.«
    Für einen Augenblick glaubt er, sie missverstanden zu haben.
    Sie hebt den Kopf und sieht ihn an. Tränen schwimmen in ihren Augen. »Ich habe Krebs.«
    Die Worte erreichen sein Ohr und ziehen sich zurück. Immer wieder hört er sie neu, wie Wellen, die an den Strand schlagen, um dann ins Meer zurückzuweichen. Dann ist er bereit und begreift. Er steht auf, zieht sie vom Stuhl und hält sie fest umschlungen.
    Die Qual, die sich tief aus seinen Eingeweiden befreit, erreicht seine Kehle und für einen kurzen Augenblick erschüttert ein Ton den Raum und seinen Glauben an Sinn und Gerechtigkeit.
    Er weiß nicht, wie lange sie so gestanden haben.
    Vorsichtig befreit sich Brigitte aus seinen Armen. Er macht einen Schritt zurück und lehnt sich an die Küchenarbeitsplatte. Vielleicht sind dreißig oder sechzig Minuten vergangen, er weiß es nicht. Für ihn hat sich die Welt mehrere Male gedreht und grundlegend verändert.
    Brigitte findet als Erste zurück in diese Küche, zurück in eine Welt nüchterner Fakten. Brustkrebs, sagt sie. Die linke Brust müsse entfernt werden, sagt sie. Dann drei Monate Chemotherapie, sagt sie. Heilungschancen fünfzig Prozent.
    »Peter? Peter hörst du mir zu?«
    Er nickt.
    Sie weiß das alles. Ist bei Ärzten gewesen, hat das mit sich ausgemacht. Alleine. Sind sie wirklich so einsam miteinander?
    »Wie können die das alles sagen? Ist es denn nicht üblich, dass dazu Gewebeproben entnommen werden müssen?«
    »Ich war vor zwei Wochen für zwei Tage im Krankenhaus.«
    Vor vierzehn Tagen? Er versucht sich zurechtzufinden in der alten Zeit. In der Zeit davor. Er war vier Tage auf dieser Fortbildung gewesen. Personalführung im öffentlichen Dienst.
    »Warum ... warum hast du nicht mit mir gesprochen?«
    Wieder hat sie diesen Blick, der ihn an ihre Trauer um Andreas erinnert.
    »Wann denn? Wann hattest du denn Zeit in den letzten Monaten?«
    Er schluckt.
    »Peter, es ist doch genau wie vor Andreas‘ Tod. Wir wollten es ändern, wollten mehr füreinander da sein.« Für einen Augenblick schlägt sie die Hände vor das Gesicht. Dann hat sie sich wieder gefangen. »Wir hatten doch verstanden, dass wir nur dieses eine Leben haben!«
    Er kann ihrem Blick nicht standhalten, schaut auf den Boden. Schaut ins Bodenlose. Wie zu sich selbst sagt er: »Aber dann haben wir es wieder vergessen, haben es vielleicht nicht ertragen, immer in diesem Bewusstsein zu leben. Mich hat meine Arbeit aufgesaugt und ...«, er hält inne.
    Wie lebendig sie nach der Krise gewesen waren, wie nah. Und dann war das Thema Tod von ihnen abgerückt und sie waren zurückgefallen in diesen Glauben, dass es immer so weitergeht. Er muss an Gietmanns Sarg denken und was ihm heute Morgen durch den Kopf gegangen war.
    Sie dreht ihren Stuhl, beugt sich vor und zieht einen zweiten zu sich heran. Sie greift nach seiner Hand und zieht ihn auf den freien Stuhl. »Ich habe das alleine gemacht, weil ich alleine bin, Peter. Ich liebe dich! Das ist die eine Seite. Ich kann so nicht weiter mit dir leben. Das ist die andere.«
    Sie sitzen sich gegenüber. Immer noch hält sie seine Hand. Er lässt sich nach vorne sinken, bis ihre Köpfe aneinander stoßen.
    »Wir müssen Entscheidungen treffen, Peter. Ich kann die Chemotherapie ambulant oder stationär machen. Ich werde vielleicht kotzen, mir werden die Haare ausfallen, es wird mir nicht gut gehen. Wenn ich sie stationär machen muss, weil ich mich nicht darauf verlassen kann, dass du da sein wirst, werde ich nicht in dieses Haus zurückkehren.«
    Ihre durchdachte Sachlichkeit erschüttert ihn.
    »Und du musst auch Entscheidungen treffen. Ich werde mindestens eine Brust verlieren. Ich werde über lange Zeit vielleicht

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