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Wenn das Herz im Kopf schlägt

Wenn das Herz im Kopf schlägt

Titel: Wenn das Herz im Kopf schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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keine Haare haben, und es kann sein, dass das alles nicht hilft und ich sterbe.«
    Er zuckt zusammen. Er spürt, dass er bereit ist, alles für sie aufzugeben. Er spürt, dass das nicht nur ein spontanes, aus der Verzweiflung heraus entstandenes Gefühl ist. Es ist wahr!
    Er sagt es ihr. Sie sitzen noch eine Zeit so und flüstern. Er fragt nach Schmerzen, wann sie ins Krankenhaus muss, was er tun kann, was sie sich von ihm wünscht.
    Dann klingelt das Handy in seiner Jackentasche.
- 54 -
    Die Kirche ist überfüllt. Viele müssen stehen. Joop steht im Windfang an die Innenseite des Portals gelehnt. In seiner beigefarbenen, weiten Hose, seiner knallroten Jacke und dem gelben Schirm ist er unter den schwarz, grau und dunkelblau gekleideten Trauergästen wirklich ein Papagei. Er ist froh, dass Steeg nicht da ist, und muss bei dem Gedanken unwillkürlich grinsen.
    Der Pastor unterschlägt den Mord. Er spricht von »plötzlich und unerwartet aus unserer Mitte gerissen« und »Gottes Plan, der für die Menschen nicht durchschaubar« sei. Das ganze Dorf scheint hier versammelt, und Joop wundert sich, wie viele das sind.
    Als die Menge sich in Bewegung setzt, um den Toten zu seiner letzten Ruhestätte zu begleiten, bleibt er stehen und lässt sie vorbeiziehen. Unter den Sargträgern erkennt er Jörg und Gerhard Lüders und Mahler. Mahler und Gerhard Lüders tragen lange Regenmäntel, wie Angler sie benutzen.
    Als die Kirche sich bis auf den letzten Mann geleert hat, geht er zum Altar und schaut sich noch einmal genau um. Dann folgt er dem Trauerzug in den dichten Regen. Er steht abseits, die Menschenmenge mit ihren Schirmen versperrt ihm den Blick auf die Grabstätte. Als die Trauergemeinde sich auflöst und eilig, geduckt in alle Richtungen zerfließt, sieht er es. Nur fünf stehen da mit ihren weißen Handschuhen und gesenkten Köpfen. Mahler ist nicht mehr da.
    »Shit!« Er wartet keine Sekunde länger. Eilig läuft er zum Gasthaus. Die Schirmständer sind überfüllt. Tropfende Schirme stehen unter der Garderobe und entlang der Theke. Er stellt seinen Schirm zu den anderen an der Theke, und da sieht er ihn.
    Mahler steht am Tresen und unterhält sich mit zwei Männern. Joop atmet erleichtert auf und setzt sich an einen kleinen Tisch in der Nähe der Tür. Er nimmt einen Bierdeckel aus dem kleinen Kunststoffständer und zerbricht ihn mit einem kurzen Ruck. Wenn Mahler den starken Einzelkämpfer spielen muss, soll er doch. Er wirft die beiden Bierdeckelhälften auf den Tisch und schaut grimmig zur Theke. Auf der anderen Seite hat er keine Lust auf noch einen Toten. Keine Lust, auf irgendeinem dieser endlosen Äcker noch einen gequälten und weggeworfenen Menschen zu finden.
    Er sitzt schon eine Weile, als die Kellnerin ihn nach seinen Wünschen fragt und ob er zu der Gesellschaft von Frau Gietmann gehört. Sie ist hübsch, groß und athletisch.
    Joop lächelt sie an. »Einen Kaffee hätte ich gerne, bitte. Und – nein, ich gehöre nicht zu der Gesellschaft.« Sie eilt zur Theke und kommt unmittelbar mit dem Kaffee zurück. Ihre Hände zittern, als sie die Tasse abstellt. Der Kaffee schwappt auf die Untertasse.
    »Entschuldigung!« Sie hebt die Tasse an: »Ich bringe Ihnen eine neue!«
    Er hält ihren Arm fest und macht schnalzende, beruhigende Geräusche mit der Zunge. »Ist doch nicht schlimm. Ich kann diese gut trinken, kein Problem.« Für einen Augenblick treffen sich ihre Augen. Er sieht ihre übergroßen Pupillen und ihr Erschrecken.
    Extasy, schießt es ihm durch den Kopf, und: schade!
    »Danke!« Sie dreht sich um und ist im gleichen Augenblick im Saal verschwunden.
    Joop sieht Jansen zur Tür hereinkommen. Zufrieden macht er sich an seinen Kaffee. Jansen geht an ihm vorbei, als habe er ihn noch nie gesehen. An der Theke greift Mahler Jansens Arm und zieht ihn in eine Ecke. Joop beobachtet aus den Augenwinkeln, dass sie aufgeregt miteinander reden. Jetzt würde er gerne mithören. Er sieht, wie Jansen seinen Arm von Mahlers Hand befreit und im Saal verschwindet.
    Er ist bei der dritten Tasse Kaffee, als Steeg plötzlich hinter ihm steht. »Na endlich. Wieso hast du so lange gebraucht? Warte hier, ich hole Jansen.« Joop steht auf.
    Steeg mustert ihn von oben bis unten und schüttelt den Kopf. »Lass mich das machen. Du willst doch nicht ernsthaft in diesem Aufzug durch eine Trauerfeier laufen.«
    Joop verdreht die Augen. »Ich bin nicht in Trauer, Achim. Ich bin im Dienst!«
    Steeg geht los. Joop nimmt seinen

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