Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Panoramafenster. Was es von den anderen viktorianischen Häusern in der Straße unterschied, war das beleuchtete Schild im Garten mit der Aufschrift Buona Vista Guest-house. Josie liebte die Gästezimmer mit ihren pinkfarbenen Chenille-Tagesdecken und Blumentapeten, einem Badezimmer, in dem die Reserveklopapierrolle sich unter der Krinoline einer kleinen Figur verbarg, flauschige Matten auf dem Fußboden lagen und sogar der WC -Deckel bezogen war. Bilder von jungen Hunden und Katzen schmückten die Wände, das Esszimmer war mit Puppen dekoriert, die Flamencotänzer darstellten, und im Gästewohnzimmer stand eine Leuchte in Form einer riesigen Ananas, die eingeschaltet ein wunderschönes rosig orangefarbenes Licht verbreitete. Für Josie war das Haus der Inbegriff des weltoffenen, kultivierten London.
Rosemarys Zimmer, das sie mit ihrer Schwester teilte, befand sich unter dem Dach. Wenn die beiden ältesten Töchter zu Besuch kamen, wurden sie in Gästezimmern einquartiert. Der Mittelpunkt des Hauses war ein Hinterzimmer neben der Küche; hier spielte sich das Leben ab, hier war es immer warm und gemütlich, wenn auch wegen der vielen Menschen und Möbel ziemlich eng. Es war so ganz anders als die schmucklose Strenge, die Josie von zu Hause kannte.
Sonderbarerweise behandelten Mr. und Mrs. Parks sie, als käme sie aus einer viel feineren Familie. Sie sprachen voller Respekt von der Farm und schickten ihre Gäste häufig auf den Spazierweg an der Steilküste entlang nach Mawnan Smith. Rosemary hatte ihr erzählt, sie prahlten damit, dass die beste Freundin ihrer Tochter in dieser Gegend wohnte.
Josie hatte nie ein Wort darüber verloren, in welch desolatem Zustand sich das Haus befand oder dass sie weder einen Fernseher noch eine Waschmaschine besaßen. Sie würde vor Scham sterben, wenn Mrs. Parks mit ihren schwarz gefärbten, toupierten Haaren und eleganten Kleidern jemals mit ihrer Mutter zusammenträfe.
»Ich werd behaupten, wir gingen heute Abend ins Café«, flüsterte Rosemary an der Tür. »Mir war letztes Wochenende hundeelend, weil ich zu viel Apfelwein intus hatte, deshalb hat sich Mum die letzten Tage ein bisschen angestellt, wenn ich ausgehen wollte. Aber da sie dich für vernünftig hält, wird sie nicht protestieren, wenn du dabei bist.«
Josie hatte nie etwas Härteres als Eierlikör getrunken, und das war vor einem Jahr in Helston gewesen. Doch das behielt sie für sich. Ihr Vater trank zwar gern ein Bier und natürlich seinen Apfelwein, aber nur im Pub. Sie hatten nie alkoholische Getränke im Haus. Ihre Mutter würde einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn sie wüsste, dass ihre Tochter die Absicht hatte, etwas anderes als Orangensaft zu trinken.
Zum Abendessen gab es Hamburger, Pommes frites und Bohnen. Sie mussten sich mit dem Essen beeilen, weil Mrs. Parks acht Gäste zu verköstigen hatte und die Mädchen aus dem Weg haben wollte. Josie beobachtete, wie sie kleine Glaskelche mit Salat und Garnelen füllte und abschließend mit einer Kirsche und einer Scheibe Zitrone dekorierte. Sie schwor sich, eines Tages ihre Gäste im eigenen Haus auch mit so ausgefallenen Speisen zu bewirten.
Gegen halb acht machten sich die Mädchen auf den Weg in die Stadt. Josie hatte ihr neues Kleid angezogen. Im Haar trug sie ein schwarzes Samtband, das sie sich von Rosemary geliehen hatte. Auch Rosemarys Kleid war neu und Josies sehr ähnlich, nur dass es rot und weiß war. Sie hatte sich die Haare so kräftig toupiert, dass sie sieben Zentimeter größer wirkte, und falsche Wimpern angeklebt. Josie hatte es auch versucht, sich dann aber für einen dicken schwarzen Lidstrich und Wimperntusche entschieden, weil ihr von den falschen Wimpern die Augen brannten. Sie sahen beide wie mindestens achtzehn aus, und sie waren schon leicht beschwipst. Rosemary hatte nämlich eine Flasche Wodka aus der Bar ihrer Eltern stibitzt. Josie fand, er schmeckte nicht besonders, und verdünnte ihn mit Limonade. Doch sie mochte die Wärme und das beschwingte Gefühl, das sie anschließend durchflutete.
In den Kneipen am Hafen herrschte Hochbetrieb. Die Mädchen flirteten, ließen sich einladen, taten dann so, als müssten sie zur Toilette, und zogen in den nächsten Pub, um die Jungen, die sich dort aufhielten, in Augenschein zu nehmen. Gegen halb elf war Rosemary sturzbetrunken. Josie hatte noch zwei Wodka getrunken und war danach bei Limonade geblieben, denn sie hatte gemerkt, dass sie sich ein bisschen albern benahm. Keinen einzigen
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