Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
gesessen. Sogar so sehr, dass ich einen Schritt zurücktrete.
Er schüttelt den Kopf, feuert mir meinen Umhang entgegen und geht zurück zum Pferd. Niedergeschlagen trotte ich hinterher. Was für ein gemeiner Idiot. Ich weiche seinem Blick aus, als er mich zu sich aufs Pferd zieht. Den ganzen Ritt lang schmolle ich vor mich hin. Ich fasse es nicht, dass er das gesagt hat.
„Was ist denn dir über die Leber gelaufen? Ist etwas im Dorf passiert?“ Tiberius zieht das Mieder fest, das zu dem nuttigen Kleid gehört, das Beliar anscheinend von Goldlöckchen mitgehen hat lassen. Es besteht nur aus einem schwarzen, weit nach oben geschlitzten Rock und diesem Mieder. Scheinbar fehlt das Oberteil. Ich frage mich, ob er es absichtlich liegenlassen hat, um mich zu demütigen. Naja, zumindest ist es nicht durchsichtig.
„Lass mich mal deine Hand ansehen“, verlangt er. Diesmal klappt das mit dem Heilen auch wieder nicht. Verwirrt schüttelt er den Kopf. Er kann sich das wohl auch nicht erklären.
„Heute ist eine Vollmondnacht“, meint er. Und? „Beliar wird tanzen. So, wie es die Hexen seit jeher tun. Wirst du mit ihm tanzen?“ Was ich? Nein. Energisch schüttle ich den Kopf. „Aber du hast getanzt. Er hat dir am Fluss zugesehen. Ich übrigens auch.“ Prima. Warte mal.
Ich schreibe:
DANN HAST DU DEN RABEN GESEHEN
.
„Nein, ich habe keinen Raben gesehen.“ Ja spinn ich denn schon. Wieso sollte ich mir denn einen Raben einbilden? „Aber was ich gesehen habe, hat mir den Atem verschlagen. Ich habe noch nie eine Frau so tanzen sehen. Die Wellen hinter dir haben sich in die Lüfte erhoben und deine Bewegungen nachgeahmt.“
Was
? Und die sagen,
ich
bin verrückt. „Beliar sind fast die Augen herausgefallen, so fasziniert war er von dir.“ Im Traum. Er hält mich für ein verrücktes, trotziges Kleinkind. „Ich weiß nicht, was du bist, aber eines weiß ich genau, so etwas Schönes, wie das am Fluss, habe ich noch nie gesehen. Der gemeinsame Tanz ist ein ganz besonderes Ritual für uns Hexer. Es stärkt die Magie unseres Zirkels. Und unsere Liebe zueinander. Ich bin sicher, Beliar fordert dich zum Tanz.“ Ich lächle und schreibe in die Erde vor mir:
DAS GLAUBE ICH NICHT
.
„Wieso nicht?“
ICH BIN KEINE HEXE.
Tiberius lacht. „Wenn du keine Hexe bist, dann fresse ich einen Besen.“ Ich schüttle lächelnd den Kopf.
WARUM BESTEHE ICH DANN DEN TEST NICHT?
„Vergiss den Test.“ Hallo? Ich dachte, das ist die Aufnahmeprüfung, um die alle so ein Theater machen. „Beliar wird auch
so
mit dir tanzen. Ich habe doch gesehen, wie er dich ansieht.“ Er sollte mal zum Augenarzt.
ER HÄLT MICH FÜR VERRÜCKT.
„Tut er nicht. Im Übrigen habe ich auch bemerkt, wie
du
ihn ansiehst.“ Ist das
so
offensichtlich?
Ich zucke mit den Schultern.
ER IST GANZ ANSEHNLICH
.
Tiberius lacht laut auf. „Bist du in ihn verliebt?“
ICH DACHTE IMMER, NUR FRAUEN WÄREN NEUGIERIG, ABER DU BELEHRST MICH EINES BESSEREN.
Wieder prustet er los. „Das bedeutet dann wohl „Ja“.“ Jetzt werde ich wütend.
HAT ER DICH GESCHICKT, UM SICH ÜBER MICH LUSTIG ZU MACHEN?
„Natürlich nicht“, verteidigt sich Tiberius.
ES FÜHLT SICH ABER SO AN.
Genervt suche ich das Weite.
Ich höre das Geigenspiel vom Lagerfeuer aus der Ferne. Mein Blick reißt sich kurz vom Fluss los. Wovor versteck ich mich eigentlich? Die Antwort habe ich gleich parat: Vor mir selbst.
Wild entschlossen gehe ich zurück zum Lager. Beliar sitzt mit Junus zusammen. Sie sprechen gedämpft, während der Kerl, der meine Wunde versorgt hat, eher recht als schlecht auf der Geige spielt.
Tiberius winkt mir zu, aber ich halte Abstand. „Hope, tanz doch für uns“, ruft er. Die Männer bestärken seinen Wunsch mit wilden Gesten. Das könnt ihr vergessen. „Beliar, komm tanze mit Hope.“ Langsam hab ich das Gefühl, Tiberius will uns verkuppeln.
Beliar sieht mich kurz an. Dann ruft er: „Ich bin sicher, es findet sich Ersatz für mich“ und wendet sich wieder Junus zu. Mit einem „was-hab-ich-dir-gesagt“-Ausdruck mustere ich Tiberius, der offensichtlich noch nicht aufgegeben hat.
„Früher hättest du solch einer Versuchung nicht widerstehen können Beliar. Der Tanz mit einer wunderschönen Frau lockt dich wohl nicht mehr mein Freund.“ Bitte hör auf. Das ist ja megapeinlich. Check es endlich – er will nichts von mir.
Beliar sieht belustigt aus und stößt überheblich: „Ich sehe hier weder eine Frau noch jemanden, der deiner
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