Wie ein boser Traum
ihren Plänen in jener Nacht wussten, sowie um ein paar andere, die irgendwie damit in Zusammenhang standen, beispielsweise ihr Vater und Schulleiter Call. Zu jedem Namen gehörten zwei Spalten, »negativ« und »positiv«. Die »Negativ«-Spalte repräsentierte Gründe, die die betreffende Person haben könnte, Heather zu
schaden, oder dass sie in den Plan für jene Nacht eingeweiht war. Die »positive« Spalte listete alle Gründe auf, weshalb die Person Heather auf keinen Fall etwas hätte antun wollen.
Seit über zehn Jahren lebte Emily nun mit der Vorstellung, dass Heather statt ihrer ermordet worden war.
Wenn Austin nicht der Mörder war, dann ging es bei dem Mord nicht um Emily. Sondern um Heather.
Marv war einige Wochen vorher wütend auf Heather gewesen, weil sie zu Keith zurückgekehrt war. Keith seinerseits war supereifersüchtig gewesen, weil sie mit Marv ausgegangen war. Nichts davon war wirklich überprüft worden, soweit Emily sich erinnern konnte.
Die Polizei hatte ihren Mörder; warum weitersuchen?
Die Vorstellung machte sich in ihr breit wie ein Eisblock.
Konzentrier dich auf die Liste .
Violet. Sie wollte Mannschaftsführerin der Cheerleader-Teams werden. Sie hatte Keith haben wollen. Heathers Tod stellte sicher, dass der Weg für beide weit offen stand.
Cathy – na ja, sie war nur neidisch auf Heathers Beliebtheit. Alle aus ihrer kleinen Gruppe hatten Heather am meisten gemocht. Heather war einfach das beliebteste Mädchen in der ganzen Schule gewesen.
Bei Megan stand nichts unter der »Negativ«-Spalte, dasselbe galt für Direktor Call.
Ed Wallace: »Ein Geheimnis, gemeinsam mit Fairgate.« Es gab keinen Grund, weshalb Ed Heather etwas antun sollte. Da waren nur die Geschäfte mit Fairgate.
Fairgate. »Geheimnisse. Lügen. Schützt seine Interessen.
« All das war in seiner »Negativ«-Spalte aufgelistet.
Justine – nichts.
Misty – merkwürdig, was aber nicht wirklich zählte.
Austin – nichts. Es gab absolut keinen Grund dafür, dass er Heather etwas antun wollte.
Wenn Emily nicht das beabsichtigte Opfer war, dann besaß er kein Motiv.
Warum hatte die Polizei diese Theorie nicht in Betracht gezogen? Chief Ledbetter war kein Trottel gewesen. Ray Hale – Emily hielt inne -, vielleicht sollte sie ihn zu der Liste hinzufügen. Aber warum? Ray hatte Heather gekannt, aber er war drei Jahre älter. Es war eher unwahrscheinlich, dass sie zusammen ausgegangen waren. Jeder, der Heather gekannt hatte, konnte verdächtig sein. Andernfalls müsste Emily Mike Caruthers und wen sonst noch alles auf die Liste setzen.
Sie kroch um die Blätter herum vom Bett und ging in dem kleinen Zimmer auf und ab. Wenn Clint nicht der Mörder war, dann war Heathers Mörder noch immer auf freiem Fuß. Genau wie Clint gesagt hatte.
Das eiskalte Gefühl drang immer tiefer in sie ein.
Wenn das der Fall war, war Clint ein Ziel – und sie selbst auch. Auch das hatte er gesagt.
Als es an der Tür klopfte, wäre sie vor Schreck beinah aus der Haut gefahren.
Vielleicht hatte ihr Vater beschlossen, sich bei ihr zu entschuldigen. Nein, ihre Eltern würden nicht zu einer so späten Stunde hierherkommen.
Clint Austin. Emily wollte ihn nicht wiedersehen … noch nicht.
Sie spähte durch den Spion in der Tür.
Aber es war nicht Clint Austin.
Sie trat einen Schritt zurück, sammelte sich und machte die Tür auf.
»Guten Abend, Miss Wallace. Ich würde gern mal mit Ihnen sprechen, wenn Sie nicht zu beschäftigt sind.«
Sidney Fairgate.
Kurz ging ihr durch den Kopf, dass sie eigentlich Angst haben müsste, aber ihr fiel kein Grund ein, wieso er etwas mit Heathers Tod zu tun haben sollte. Wirklich sicher aber konnte sie nicht sein.
»Wie ich sehe, hat mein Besuch eine große Wirkung. Vielleicht erlauben Sie mir, einzutreten, damit Sie hören können, was ich zu sagen habe.«
Sie trat einen Schritt zurück; er betrat das kleine Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Keine Leibwächter. Keine Hunde. Nur er. Sie sollte Angst haben. Das wusste sie. Aber sie war hoffnungsvoll. Vielleicht würde sie nun die Wahrheit über ihren Vater erfahren.
»Sie haben es sich anders überlegt«, sagte sie. Bitte lass das der Fall sein . Sie wollte nur eines: die Wahrheit.
»Ehrlich gesagt, ja. Ich habe es mir anders überlegt. Eine frühere Überlegung hat meine Erwartungen leider nicht erfüllt.« Er lächelte, und seine dunklen Augen funkelten. »Wie ich sehe, gefällt Ihnen das.«
Offenbar hatte sie nicht verbergen
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