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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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entwischt.«
    »Unmöglich.«
    »Nur einer ist zurückgekehrt, mit eingeschlagenem Kiefer und gebrochenem Bein. Soweit wir das seinem Gemurmel entnehmen konnten, war das Mädchen nicht allein. Jemand war bei ihr. Und dieser Jemand hat anscheinend gereicht, um deine gesamte Truppe außer Gefecht zu setzen.«
    Savelda wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
    »Ich werde es der Vicomtesse mitteilen müssen«, fuhr Gagnière fort. »Versage du wenigstens nicht bei deinem Gefangenen. Bring ihn zum Reden.«
    »Er wird reden.«
    »Das wollen wir hoffen.«
    Daraufhin gab der Edelmann seinem Pferd die Sporen und ritt im Trab einen Weg hinunter, der mit Blütenblättern übersät war, die von den Hufen aufgewirbelt wurden.

2
    »Sie ruht sich aus«, sagte Agnès de Vaudreuil, als sie aus dem Zimmer trat. »Leiste du ihr doch ein wenig Gesellschaft, und wenn sie wieder aufwacht, rufst du mich bitte gleich.«
    Schüchtern wich Naïs dem Blick der Baronin aus und nickte kaum merklich, dann huschte sie durch die halboffene Tür und schloss sie lautlos hinter sich.
    Agnès wartete noch eine kleine Weile und tastete sich dann bis zur Treppe vor. In diesem düsteren Gang des nicht weniger düsteren Palais Épervier konnte man kaum etwas sehen. Alles war aus demselben nackten, grauen, sepulkralen Stein.
    In den Zimmern gab es nur wenige niedrige Fenster, die mit Eisengittern gesichert und deren Fensterläden meist noch geschlossen waren. In den Fluren und Treppenhäusern fanden sich nur winzige Öffnungen, regelrechte Schießscharten, durch die um diese Zeit das bleiche Licht des Morgengrauens nur schwach hereindrang. Doch es war üblich, dass man eher ein Licht mit sich herumtrug, als unbeaufsichtigt Kerzen in den Räumen brennen zu lassen – aus Angst vor einer Feuersbrunst, aber auch aus Sparsamkeit. Deshalb genügten auch die übel riechenden Talgkerzen, wohingegen weiße Wachskerzen noch ein teurer Luxus waren. Aber Agnès hatte ihre Kerze im Zimmer gelassen.
    Sie wollte gerade vorsichtig die Treppe hinuntersteigen, als jemand nach ihr rief.
    »Agnès«, raunte ihr Hauptmann La Fargue zu.
    Sie hatte ihn im Halbdunkel überhaupt nicht bemerkt und auch nicht gewusst, dass er auf sie wartete. Er war von kräftiger Statur, sein Körper gestählt durch ein Leben der
Prüfungen und Kämpfe, sein Erscheinungsbild, das dem eines altertümlichen Patriarchen ähnelte, flößte Respekt ein: kämpferische Haltung, ein strenges, von den Jahren zerfurchtes Gesicht, gestutzter Bart und ein fester Blick voll Weisheit. Er trug seine Stiefel und das schiefergraue Wams, an dem der oberste Knopf offen stand, aber seinen Degen und den Hut hatte er abgelegt, und das dichte, silbergraue Haar schimmerte im Dämmerlicht des Tages.
    Er ging auf Agnès zu, nahm sie sanft am Ellbogen und lud sie ein, mit ihm auf der obersten Treppenstufe Platz zu nehmen. Neugierig geworden, folgte sie seiner Aufforderung. Sie hatte verstanden, dass er eine Unterhaltung mit ihr wünschte, bevor er zum Rest der Gruppe zurückkehrte, deren Stimmen aus dem Erdgeschoss zu ihnen drangen. Gut dreißig Jahre Altersunterschied und die Tatsache, dass er ein Mann und sie eine Frau war, trennten den alten Hauptmann und die Baronin voneinander. Er musste außerdem seine natürliche Reserviertheit überwinden und sie ihre Skepsis, sich jemandem zu öffnen. Aber dennoch verband sie ein besonderes Band aus Wertschätzung und Freundschaft, das alle Unterschiede zwischen ihnen überwand. Ein Band, das man durchaus mit der Liebe eines Vaters zu seinem Kind und einer Tochter zu ihrem Vater vergleichen konnte.
    »Wie geht es ihr?«, fragte La Fargue. Er sprach leise, als befänden sie sich im Haus eines Toten.
    Agnès warf instinktiv einen kurzen Blick über die Schulter zu dem Zimmer, in dem sich die junge Frau, die Marciac gerettet hatte, nun ausruhte. »Das nächtliche Abenteuer hat sie ziemlich mitgenommen.«
    »Hat sie sich dir anvertraut?«
    »Ja. Es scheint, als sei …«

    »Später«, unterbrach sie La Fargue. »Zuerst interessiert mich, was du von ihr hältst.«
    Agnès hatte noch keine Zeit gefunden, sich umzuziehen, und so trug sie noch immer das elegante Kleid aus scharlachroter Seide, das sie für den Abend bei Madame Sovange angezogen hatte. Begleitet vom Rascheln ihrer Röcke und Unterröcke drehte sie sich ein wenig, um dem Hauptmann besser in die Augen blicken zu können. »Schwer zu sagen«, murmelte sie.
    Agnès hatte sich mit den Ellbogen auf den Knien abgestützt, die

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