Wild wie das Meer (German Edition)
nicht mehr wahrzunehmen. Virginia sah seine steife Haltung. Sie konnte seinen unbezähmbaren Hass förmlich mit bloßen Händen greifen. Schlimmer noch, sie ahnte, dass er jetzt irgendeine furchtbare Vergeltungstat ersann.
Ihr wurde schwer ums Herz.
Zitternd ging sie auf ihn zu. „Er hat versucht, dich umzubringen?“, fragte sie vorsichtig.
Schließlich schaute er sie an. „Es tut mir leid, dass du davon erfahren musstest. Was tut es zur Sache? Er hat versagt.“
„Natürlich tut das etwas zur Sache!“, rief sie.
„Virginia, ich habe den törichten Anschlag überlebt.“
„Diesmal!“ Sie wusste, dass sie hysterisch war, aber mit einem Mal hatte sie so große Angst um Devlin, dass ihre Gedanken sich überschlugen. Viel stärker bangte sie um ihr Kind. „Aber wie ist es beim nächsten Mal?“
„Eastleigh ist nicht der erste Gegner, der mir den Tod wünscht“, erwiderte Devlin grimmig und ergriff ihre Hand.
Doch sie entzog sie ihm, wich zurück und schlang die Arme um ihren Leib. „Das ging zu weit! Du hast damit angefangen, und jetzt sieh nur, was daraus geworden ist – nun schwebst du in Lebensgefahr!“
Zorn flammte auf. „Ich habe nicht damit angefangen, meine Liebe. Er hat vor fünfzehn Jahren damit angefangen!“
„Und das rechtfertigt alles andere?“
Seine Wangen waren vor Zorn gerötet. „Ich schwebe nicht in Lebensgefahr, Virginia“, wehrte er ab. „Ich bin seit Langem auf der Hut. Kein gedungener Schurke wird mich überwältigen.“
Virginia war den Tränen nahe. So würde demnach ihr Leben aussehen? Devlin würde Eastleigh nachsetzen, und ihr Onkel würde einen Attentäter nach dem anderen anheuern, um Devlin zu töten? Und was wäre, wenn erst das Kind zur Welt käme? Würde sie eines Tages einen Attentäter an der Wiege in ihrem Zimmer vorfinden? Was, wenn Eastleigh seinen Hass auch gegen das Kind richtete?
Sie rang nach Luft und begann zu schluchzen. So konnte sie nicht leben.
Devlin wandte sich wieder abrupt dem Fenster zu. Nie war er innerlich so zerrissen gewesen. Er hatte Virginia mit dem festen Vorsatz geheiratet, nichts an seinem Leben zu ändern, doch in den wenigen Tagen, die sie gemeinsam verbracht hatten, hatte sich alles geändert – jedenfalls beinahe alles. Sie hatte ihm ein anderes Leben gezeigt, und in einem Winkel seines Herzens sehnte er sich danach.
„Es tut mir leid, dass dein Onkel dir deinen Geburtstag verdorben hat, Virginia“, sagte er vorsichtig.
Sie befeuchtete die Lippen und sagte schließlich mit heiserer Stimme: „Devlin, da ist etwas, was ich dir noch nicht gesagt habe.“
Sein Herz krampfte sich zusammen. Ihr Tonfall und ihr Gesichtsausdruck behagten ihm nicht. Was für eine Neuigkeit gedachte sie ihm mitzuteilen? Unwillkürlich wich er ein wenig zurück, und seine Augen verengten sich, als wäre seine schöne Gemahlin sein ärgster Widersacher. „Fahr fort“, beschied er ihr allzu förmlich.
„Wir bekommen ein Kind.“
Er traute seinen Ohren nicht. „Was?“, rief er mit pochendem Herzen.
„Und ich flehe dich an“, fuhr sie heiser fort, „uns ein Leben in Frieden und Glück zu versprechen.“
Er zuckte zusammen und war kaum in der Lage, ihren Worten zu folgen. Sie erwartete ein Kind. Rasch rechnete er im Geiste nach. Sie musste das Kind nach der Hochzeit im Dezember empfangen haben. Großer Gott, er würde Vater – das war zu früh!
Eastleighs höhnische Miene, als er sich zum Gehen gewandt hatte, blitzte vor seinem geistigen Auge auf.
„Ich bitte dich, dein Streben nach Mord und Vergeltung aufzugeben!“ Sie begann zu weinen. „Ich kann unserem Kind ein solches Leben nicht zumuten! Verstehst du das nicht? Wir sind im Begriff, eine Familie zu werden, und nun stelle ich dich vor die Wahl.“
Nun zitterte er, die Knie waren ihm weich geworden, und mit einem Mal konnte er nur noch an das Kind und den furchtbaren Feind denken, den er hatte. Er starrte sie an, wie sie weinend dort stand. Sie stellte ihn vor die Wahl? Eine hässliche Vorahnung stieg in ihm hoch.
Er holte Luft und spürte, wie der Zorn von ihm Besitz ergriff. „Tu das nicht, Virginia“, hob er warnend hervor. Sie konnte ihn nicht vor die Wahl stellen! Nicht jetzt!
„Du musst dich entscheiden!“, rief sie am ganzen Leib bebend.
„Das kannst du nicht von mir verlangen“, herrschte er sie an. Und er spürte, dass ihm alles aus den Händen glitt, die Freude, die Liebe ...
„Du musst dich entscheiden“, wisperte sie. „Ich werde unserem Kind kein
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