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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sagte der Sohn trotzig.
    Der Vater hatte die Schnapsflasche halb sinken lassen, der Sohn sah genau an seinem Gesicht, wie er sich mühte, nachzudenken. Er wartete darauf, daß der Vater zornig werden würde, denn dann war alles gut. Darum sagte er noch: Schnaps wärmt schön, Vater. Wieder das bemühte Nachdenken. Der Vater bewegte die Lippen, atemlos wartete der Sohn – da lachte der Vater plötzlich schallend los, hielt dem Jungen die Schnapsflasche hin und sagte: Na, nimm einen, Hannes.
    Der erste Versuch war mißglückt. Aber schon hatte Hannes einen zweiten Plan gefaßt: er mußte dem Vater möglichst viel Schnaps wegtrinken. Der Junge wußte vom Geruch, von ein oder zwei Versuchen mit Gläserneigen her, daß Schnaps bitter und scharf, also schlecht schmeckte. Es gab darum nur ein Mittel für ihn, dem Vater möglichst viel wegzutrinken, er mußte den Schnaps, so rasch es ging, in sich hineingießen.
    Er legte also den Kopf zurück, setzte den Flaschenhals an die Lippen und goß den Schnaps hinter. Er war nur ein neunjähriger Junge, und es war ein richtiger achtunddreißigprozentiger |83| Kornschnaps. Er brannte im Hals wie Feuer und fraß die Luft weg. Ein- oder zweimal verschluckte sich der Junge, Ekel und Übelkeit stiegen in ihm hoch, aber er kämpfte sie nieder, er mußte doch den Vater, auf den er unverwandt während des Trinkens sah, von seinem Stein hochkriegen. Ihm kam es vor, als schluckte er schon stundenlang an diesem widerlichen Gift, ehe der Vater den Kopf hob und mühsam sagte: Laß mir auch was drin, Hannes.
    Der Junge setzte die Flasche ab, er wollte sprechen, er wollte sagen – das hatte er sich überlegt –, daß ihn immer noch fröre und daß er darum weitertrinken wollte, aber er brachte nichts heraus wie einen heiser krächzenden Laut, seine Stimmbänder waren gelähmt.
    Der Vater sah aufmerksamer hoch, der Sohn machte einen Schritt zurück, er setzte wieder die Flasche an und trank wieder. Nun war sein ganzer Schlund schon eine brennende Spur den Leib herunter. Der Magen war eine dumpfe, aufwärts stoßende Masse, in der ein schmerzhaftes Feuer brannte. Aber er sperrte einfach den Rachen auf und goß weiter Schnaps in sich.
    Laß das! sagte der Vater scharf, es war beinahe der alte Stimmklang, wenn er böse war.
    Hannes machte nur eine abwehrende Bewegung mit den Händen und trank weiter. Er glaubte, er könne es nicht mehr ertragen. Jetzt wurde sein Kopf schwindlig, er kämpfte mit einer schrecklichen Übelkeit, aber er trank doch.
    Gib die Flasche her, rief der Vater böse und griff nach ihr. Hannes machte wieder einen Schritt zurück, um der Hand auszuweichen, der Vater stand auf, da rutschte Hannes aus und fiel, die Flasche loslassend, rücklings hin.
    Er lag auf der Erde, er hatte sich weder erschreckt noch weh getan, aber da lag er und war sehr zufrieden, denn er hörte neben sich im Schnee die Flasche auskluckern.
    Plötzlich verdunkelte sich der Himmel über ihm, es war sein Vater, der sich über ihn beugte und drohend fragte: Willst du gar nicht wieder aufstehen?
    |84| Doch, sagte er gehorsam und sprang so rasch auf, daß er gleich wieder hinfiel. Dies belustigte ihn so, daß er in ein lautes Lachen ausbrach, und trotz allen Drohens des Vaters wollte sein Lachen nicht enden. Dann wurde ihm wieder übel und sein Kopf drehte wie eine Mühle.
    Sein Vater mußte ihn hochgehoben und auf die Füße gestellt, mußte ihn eine Weile geführt haben, denn plötzlich sah er sich und ihn auf der Chaussee nach dem Hof. Er hörte sich laut reden. Er erzählte von allem, was er im letzten Jahre verstanden hatte und was ihm das Herz schwergemacht hatte: von der verludernden Wirtschaft, der Mutter, die alles falsch machte, dem fremdtuenden Alwert, und wie die dreizehnjährigen Schuljungen mit den Schulmädchen richtig Mann und Frau im Stroh spielten. Zwischendurch hörte er den Vater mit einem Ton fast ingrimmig schreienden Schmerzes rufen: Hör damit auf! Laß das, Hannes, hör auf!
    Zugleich merkte ein zweiter, scharfer Beobachter in ihm, daß sie nicht etwa gerade auf der Chaussee gingen, sondern bald auf der rechten, bald auf der linken Seite. Auch, daß sie oft beinahe in die Gräben gerieten, daß sie also genauso torkelten, wie der alte Säufer Timmermann im Kirchdorf, dem die Schuljungen so gern nachäfften. Der Gedanke, daß sein Vater und er wie der olle Timmermann hier auf offener Straße herumtorkelten, belustigte ihn derart, daß er zwischen seinen Schmähreden immer wieder in ein

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