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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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reichte und mich geradewegs in einen stumpfsinnigen Bürojob führte. Ich konnte die Scham und die Verbitterung und die Wut und den Selbsthass fast schon spüren, konnte mich selbst hören, wie ich mir immer wieder sagte: »Hätte ich doch damals …«
    Â»Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte ich und stand abrupt auf. »Kannst du mich bitte nach Hause fahren?«
    Conrad folgte mir zur Tür und dann zu seinem Auto. Er war am Boden zerstört. Aber er sagte nichts, und auch den Weg zu mir nach Hause über schwiegen wir.
    Als wir in unsere Auffahrt zum Haus einbogen, fragte er, ob er mich später anrufen dürfe, damit wir noch einmal darüber reden konnten.
    Ich nickte, sah aber in seinen Augen, dass er nicht anrufen würde. Nicht an jenem Abend und auch sonst nicht. Das war das Ende.
    Am nächsten Tag, als ich mit meiner Mutter am Pool saß und wir die Checkliste fürs College durchgingen, brach ich in Tränen aus. Inzwischen hatte sie das Wichtigste über Conrad herausbekommen: Er spielte in einer Band und sang Lieder mit nicht jugendfreien Texten. Er hatte einen Alkoholiker zum Vater und keinerlei Ziele im Leben, jedenfalls keine, die ihre Billigung gefunden hätten. Darum war er in ihren Augen natürlich der Böse.
    Â»Habt ihr Schluss gemacht, du und Conrad?«, fragte sie, was mich nur noch heftiger zum Weinen brachte.
    Ich bejahte, schluchzte aber, es sei noch schlimmer. Viel schlimmer. »Das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.«
    Â»Bist du schwanger?«, flüsterte sie.
    Ich nickte. Ich schämte mich, war aber auch erleichtert darüber, dass sie es nun wusste. Meine Mutter war eine lebenskluge Frau – und in der Not konnte man sich auf sie verlassen. In der Familie wurde die Geschichte erzählt, wie mein Vater bei Gene & Georgetti einmal fast an einem Stück Fleisch erstickt wäre. Als meine Mutter sah, wie er japste, sprang sie auf, rannte um den Tisch herum und warf dabei die Weingläser um. Dann vollführte sie fachgerecht und ohne mit der Wimper zu zucken den »Heimlich«-Handgriff, und das Stück Fleisch löste sich aus seiner Kehle. Wenn sie meinem Vater das Leben retten konnte, dann bekam sie auch das hier in den Griff.
    Â»Es tut mir leid, Mom«, sagte ich. Ich saß auf dem Liegestuhl und umklammerte meine Knie. Unter der Last der Scham und der Schuldgefühle zerbrach ich beinahe. Meine Eltern hatten mir so viel, ja, alles gegeben, und das war der Dank dafür.
    Aber meine Mutter blieb stark. »Schatz, es wird alles wieder gut. Wir schaffen das«, sagte sie und streichelte mein Haar. »Wir kriegen das schon hin. Was hat Conrad dazu gesagt?«
    Â»Ich hab’s ihm nicht erzählt«, antwortete ich.
    Â»Gut«, erwiderte sie schnell. Sie machte noch eine abfällige Bemerkung über ihn und schob ihm kurzerhand die Schuld zu.
    Ich kam mir schrecklich vor, weil ich ihn nicht verteidigte, begriff aber, dass es keinen Sinn hatte. Jetzt ging es darum, eine Lösung zu finden. Und Conrad, ob er nun gut oder böse war, war kein Teil der Lösung.
    Am nächsten Tag brachte meine Mutter mich zu ihrem Gynäkologen. Das Ergebnis der Blutuntersuchung bestätigte offiziell, was wir schon wussten. Laut Dr. Kale, der unangenehmerweise meinem Großvater ähnlich sah, war ich in der sechsten Woche. Meine Theorie stimmte also: Am selben Abend, an dem ich meine Unschuld verloren hatte, war ich schwanger geworden. Das war nun wirklich die schlimmste Strafe, vor allem, wenn man bedenkt, dass Conrad und ich doch verhütet hatten. Ich starrte ausdruckslos auf Dr. Kales Gesicht, als er meine medizinischen Daten aufnahm und darüber sprach, welche Untersuchungen wir durchführen würden, sollte ich das Baby »auf die Welt bringen wollen«.
    Meine Mutter machte sich die ganze Zeit Notizen und stellte ab und zu eine Frage, bis es nichts mehr zu besprechen gab. Dann setzte der Arzt sich auf seinen Drehstuhl und rollte damit zum Tisch mir gegenüber. Ich wusste, was jetzt kam: Ja, genau, er lächelte aufmunternd, räusperte sich und erklärte, angesichts meines Alters und der Umstände hätte er gerne, dass ich mich noch mit einer Sozialarbeiterin unterhielt. Er sah meine Mutter an, weil die ihre Einwilligung dazu erteilen musste, und sie nickte.
    Kurz darauf, als ich mich wieder angezogen hatte, wurden meine Mutter und ich den Flur hinuntergeführt, in ein kleines,

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