Woge der Begierde
verschiedenen Kristallkaraffen stand, und goss sich ein kleines Glas Sherry ein. Er nahm es, setzte sich auf eines der dick gepolsterten Sofas, die den Raum schmückten, und nahm einen Schluck.
Er las den Brief erneut und legte ihn auf seinen Oberschenkel, starrte blicklos vor sich hin, während er den ausgezeichneten Sherry genoss und erwog, welche Möglichkeiten ihm jetzt noch offenstanden. Wenn er herausfinden konnte, ob Sophie wirklich so ein Konto eingerichtet hatte und ob jemand es benutzte, wäre das ein aussagekräftiger Beweis dafür, dass Raoul noch am Leben war. Und wenn er dieses geheimnisvolle Konto entdeckte und herausfand, dass das Geld in den ganzen drei Jahren nicht angerührt worden war, dann würde das dafür sprechen, dass Raoul
wirklich tot war. Er kannte seinen Halbbruder recht gut, und Raoul, der von Kindesbeinen an von seiner vernarrten Mutter verwöhnt worden war, konnte nicht ohne Geld leben. Charles lächelte grimmig. Und Raoul käme nie auf die Idee, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Er seufzte, lehnte den Kopf gegen die Sofalehne und schaute zur Decke. Wenn er nicht nach London fahren und persönlich in die Räume des Notariats von Smalley, Slocomb und Todd einbrechen wollte, um Mr. Smalleys Büro nach den Akten zu durchsuchen, fiel ihm nichts ein, was ihn bei der Suche nach dem Geld voranbringen konnte. Dass er so ein Vorgehen überhaupt in Erwägung zog, erschreckte ihn, und er sprang auf und machte sich auf die Suche nach seinem Gastgeber.
Charles fand Trevillyan in der Bibliothek, wo er vor dem Feuer saß und von einem duftenden Rumpunsch nippte. Da der Butler eine dampfende Schüssel mit Punsch und ein paar Tassen daneben stehen gelassen hatte, bediente Charles sich selbst, ehe er zu seinem Gastgeber trat.
Er stellte sich neben den Kamin und stützte sich mit einem Arm auf dem breiten Sims ab, dann nahm er einen Schluck Punsch. »Das«, erklärte er, das warme starke Getränk genießend, »ist ein ausgezeichneter Weg, den Tag zu beenden.«
Trevillyan warf ihm einen schiefen Blick zu. »Alles geregelt?«
Charles nickte. »Ja.«
Trevillyan schnaubte. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie sie wirklich heiraten wollen. Charles Weston, verheiratet mit einem kleinen Niemand, ohne Vermögen, ohne einflussreiche Familie und ohne besondere Schönheit - das ist eine Schande!« An seiner leicht verschwommenen Aussprache
konnte man gleich erkennen, dass die Tasse Punsch in seiner Hand nicht die erste des heutigen Nachmittags war. »Wenn Sie meine Meinung wissen wollen«, brummte er, »da das Aufgebot ja noch nicht verlesen wurde, sollten Sie dem jungen Burschen Adrian ein nettes Sümmchen geben und sich nach London verziehen und die ganze Geschichte einfach vergessen.«
Da er fand, dass es trotz allem doch unverantwortlich unhöflich wäre, seinem Gastgeber den Inhalt seiner Tasse ins Gesicht zu schütten und ihn zu einem Duell zu fordern, erwiderte Charles in trügerisch mildem Ton: »Ich möchte Sie an zwei Sachen erinnern, Mylord. Erstens, wenn Sie nicht möchten, dass ich Sie an Ort und Stelle erdrossele, denke ich, dass Sie mir und meiner Verlobten eine Entschuldigung schulden, und zweitens, wenn Sie so etwas je wieder sagen, dann werde ich Sie erdrosseln.«
Trevillyan blinzelte und versuchte sein benommenes Hirn mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dass ihm ein schwerer Patzer unterlaufen war. Der Mann, der ihm gegenüberstand und ihn anschaute, hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem freundlichen Gast, der in den vergangenen Wochen bei ihm gewohnt hatte. Verschwunden war der Gentleman mit dem lässigen Lächeln und dem mühelosen Charme, und an seiner Stelle stand ein Fremder, dessen grüne Augen auf einmal schiefergrau glitzerten und dessen grimmige Miene und angespannte Körperhaltung ihn warnten, dass Charles Weston jedes Wort meinte, das er gerade gesagt hatte.
»Oh, äh«, stammelte Trevillyan, »ich habe nichts damit gemeint. Ich habe nur ein wenig umnebelt von dem Punsch vor mich hingebrabbelt. Nie würde ich Sie beleidigen wollen. Lieber Freund.«
»Und meine Verlobte?«, erkundigte sich Charles mit seidenweicher Stimme, die Trevillyan noch mehr Angst einjagte.
»Und natürlich auch Miss Beaumont nicht. Bei meiner Seel! Ich wollte sie nie in irgendeiner Weise kränken … oder Sie. Niemals.« Trevillyan schaute müde in seine Tasse. »Verflixter Punsch! Hab viel zu viel getrunken. Bitte um Verzeihung.«
Charles’ Augen bannten ihn ein paar
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