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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Verfasser musste die Berichterstattung
     über seinen Fall verfolgt haben. Alan wurde unbehaglich zumute, da er vor gerade einmal drei Tagen 1000 Dollar auf Grigoris
     Konto überwiesen hatte – Lindas Anzahlung für seine Arbeit.
    »Aber, Grigori, hier steht, dass Sie adoptionswilligen Amerikanern Tausende von Dollar berechnen. Stimmt das denn?«, fragte
     Alan. »Wenn ja, widerspricht sich das. Sie können nicht einerseits gute Werke tun und andererseits Gewinne einfahren.«
    Aus dem Büro des Chefs war eine Sekretärin aufgetaucht, die nun versuchte, sich an den Besuchern vorbeizudrücken. Sarah und
     Alan rutschten mit ihren Stühlen dichter an den Tisch heran.
    »Ich muss Geld verdienen«, sagte der Anwalt. »Meine Miete zahlt sich nicht von allein.« Er zeigte auf die ramponierte holzvertäfelte
     Wand und eine vertrocknete Pflanze auf seinem Schreibtisch. »Ich kann mir noch nicht einmal eine Sekretärin leisten. Davon
     abgesehen verlange ich gerade mal einen Bruchteil dessen, was die amerikanischen Agenturen berechnen.«
    Seine Empörung hatte offenbar eine belebende Wirkung, und er wurde wieder der eloquente Anwalt, den die beiden kannten. Er
     erklärte, dass der Artikel Teil einer Kampagne gegen ihn sei, die von den für Auslandsadoptionen zuständigen Bürokraten initiiert
     worden sei. Jedes Jahr flossen diesen Bürokraten enorme Summen an Bestechungsgeldern von den ausländischen Adoptionsagenturen
     zu. Grigoris »Schleuderpreise« stellten für ihr lukratives Geschäft eine Bedrohung dar, |203| daher waren sie entschlossen, ihn aus dem Weg zu räumen. »Mir geht es hier nicht nur um Wanja«, sagte er. »Ich tue das für
     all die russischen Waisenkinder und die kinderlosen Paare, die sich die hohen Gebühren nicht leisten können.«
    Sarah sprach ihm ihre Bewunderung für seine Ideale aus, doch sie hatte andere Sorgen: Wanjas Adoption. Sie fragte Grigori,
     wie er Wanjas Fall voranbringen wolle, wenn er sich mit dem Ministerium im Kriegszustand befand – doch Grigori sah darin überhaupt
     kein Problem. Es gäbe ein neues Adoptionsgesetz, sagte er. Er kenne es in- und auswendig und habe sogar bei dessen Ausarbeitung
     mitgeholfen, als er noch parlamentarischer Mitarbeiter gewesen war. Die Hexen vom Ministerium hätten keine Möglichkeit, Wanjas
     Adoption zu verhindern. Er straffte die Schultern und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Alles, was er brauche, seien die
     Unterlagen aus England.
    Sarah erinnerte ihn daran, dass die dortigen Behörden ihre Prüfungen abgeschlossen hätten, doch Grigori winkte ab. Das sei
     erst der Anfang. Er zog eine Schublade auf und nahm ein eng bedrucktes Blatt Papier heraus, auf dem fünfzehn verschiedene
     Dokumente aufgelistet waren, die er zusätzlich aus England benötigte. »Wenn ich die habe, ist Wanja frei.«
    In den darauffolgenden Wochen nahm die Hetzkampagne gegen Grigori Fahrt auf. Er wurde beschuldigt, Kinder ins Ausland zu verkaufen
     und leichtgläubigen Amerikanern Geld abzuknöpfen, ohne irgendeine Form von Gegenleistung zu erbringen. Ein Artikel schloss
     mit den Worten: »Uns liegen Unterlagen vor, aus denen eindeutig hervorgeht …«, womit dem Leser suggeriert wurde, dem Ministerium
     sei stapelweise vermeintlich belastendes Material zugespielt worden. Ein anderer Artikel trug die Überschrift: »Russische
     Mutter verkauft ihre Babys für 10000 Dollar.«
    Beinahe jeder Journalist in Moskau schien inzwischen zum Adoptionsexperten geworden zu sein – und wie es der Zufall wollte,
     ereigneten sich genau zu diesem Zeitpunkt einige Zwischenfälle mit amerikanischen Adoptiveltern, die der |204| Kampagne als willkommener Zündstoff dienten: Eine Adoptivmutter prügelte ihren zweijährigen Sohn zu Tode; ein Paar verlor
     auf dem Rückflug nach New York die Kontrolle über sich und schlug und beschimpfte ihre russischen Adoptivtöchter – sehr zur
     Empörung der anderen Passagiere. Ein leichtgläubiger Leser konnte den vorschnellen Schluss ziehen, dass für derartige Vorfälle
     allein Grigori verantwortlich sei.
    Es bedurfte einiger Telefonate, um herauszufinden, wie es Grigori gelungen war, sich derart viele Feinde zu machen. Begonnen
     hatte alles im Februar, zu jener Zeit also, als Andrejs Adoption auf ihren Abschluss zusteuerte. Damals hatte sich Grigori
     entschlossen, den Kampf gegen die Korruption offiziell aufzunehmen, indem er eine Pressekonferenz einberief, auf der er Mitarbeiter
     des Ministeriums beschuldigte, Bestechungsgelder zu

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