Wyoming 2 - Wildes Herz
abgeschlossen, wie lange es dauern würde, bis sie anfinge, über irgend etwas zu klagen. Natürlich hatte sie nie gesagt, daß sie sich nicht beklagen würde. Wenn sie ein derart unvernünftiges Versprechen abgegeben hätte, dann würde sie es nicht wagen, etwas zu sagen, ganz gleich, wie schwer er es ihr auch machte. Aber sie entschied, das einzige, worauf sie sich in den kommenden Tagen freuen konnte, war, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie würde nicht klagen, selbst dann nicht, wenn sie halb umkäme.
In der Morgendämmerung hielten sie kurz an, um die Pferde rasten zu lassen. Sie glaubte, sie würden jetzt eine Mahlzeit zu sich nehmen, doch Colt zog lediglich ein paar dünne Streifen getrocknetes Rindfleisch aus seiner Satteltasche und sagte ihr, sie solle darauf herumkauen. Sie versuchte es. Sie bemühte sich wirklich. Aber die Leute aus dem Westen mußten kräftigere Zähne haben als Herzoginnen. Schließlich steckte sie sich das Ding wie eine Zigarre in den Mund und saugte für den Rest des Morgens daran.
Um die Mittagszeit mußte sie ihren Umhang ablegen. Nicht etwa, daß der Tag deutlich wärmer geworden wäre, doch das Tempo, das Colt durchgängig beibehielt, war gräßlich anstrengend, und in den Bergen, durch die sie jetzt ritten, wehte kaum ein Wind.
Sie hatten noch einmal angehalten, wieder nur um der Pferde willen. Sir George hielt sich weit besser als Jocelyn. Ihr Rücken schien in Flammen zu stehen, so steif waren die Muskeln. Die Beine, die sie über das Sattelhorn geschlagen hatte, um das Gleichgewicht zu halten, waren ihr schon rund ein halbes Dutzend mal eingeschlafen. Sie beneidete sie darum. Sie war so müde, daß sie nahezu im Sattel einnickte. Wenn Sir George ein weniger lebhaftes Reittier ge-wesen wäre, wäre sie wahrscheinlich auch schon in Schlaf gefallen.
Ihm war nicht im entferntesten anzumerken, daß er eine ganze Nacht lang nicht geschlafen hatte. Er beugte und streckte sich nicht und drückte auch nicht seinen Rücken durch, der doch steif hätte sein müssen; sein Kopf fiel ihm auch nicht herunter. Sein Magen knurrte wahrscheinlich auch nicht so wie ihrer.
Kurz nach dem Mittagessen bekam sie ein paar Kekse und einen Wasserschlauch, den sie behalten durfte. Wenn die Kekse sie schon nicht sättigten, dann doch das Wasser, jedenfalls für eine Weile. Colt ließ die Tiere jetzt im Schritt laufen, dann traben, dann tänzeln und im Paßgang laufen und schließlich kurz galoppieren, und dann ließ er sie wieder ein oder zwei Meilen im Schritt laufen, ehe er sie wieder zu einem leichten Galopp antrieb. Als sie gerade wieder bei einem langsameren Tempo angelangt waren, schlief Jocelyn ein.
Als sie erwachte, hallte ein Fluch in ihren Ohren nach, und eine Stahlklemme schloß sich um ihre Mitte. »Himmel, Frau, versuchst du gewaltsam, dich umzubringen? «
Colts Arm war das stählerne Band, das sich um ihre Taille geschlungen hatte. Und hinter ihrem Rücken war ein Kissen, seine Brust. Sie kostete die Vorzüge sofort aus, ohne sich auch nur zu fragen, wie sie dort hingekommen war.
»Ist etwas passiert? « Sie brachte die Frage gähnend heraus. |
»Du warst zielstrebig dabei, vom Pferd zu fallen. «
»Tut mir leid. Ich muß wohl eingenickt sein«, sagte sie und schlief sofort wieder ein.
»Es tut dir leid? Kannst du denn nicht so vernünftig sein, etwas zu sagen, wenn du dich nicht mehr wachhalten kannst? «
In ihrer Ermattung fragte sie sich, warum er sie anschrie, »Gut, ich kann mich also nicht mehr wachhalten. «
»Sturheit, das ist es, und nichts anderes«, hörte sie ihn brummen. »Die reinste Sturheit. «
Ihr war vollkommen gleichgültig, was er damit wohl sagen mochte. Er hatte seinen Griff um ihren Bauch gelöst und streckte eine Hand aus, um ihr Bein über den Sattel zu zie-
hen, bis sie rittlings dasaß, und dann verlagerte er sein Gewicht, bis sie s ich an ihn lehnte, wie sie es auf einem bequemen Sessel getan hätte. Sogar ihre Beine lagen auf seinen, und daher wich jede Anspannung aus ihrem Körper. Sie war sogar so entspannt, daß sie nicht spürte, daß ihr der Hut abgezogen wurde, und auch nicht, wie ihr die Haarnadeln langsam aus dem Haar entfernt wurden. Sie war schon wieder am Einnicken.
Aber es war noch kein Tiefschlaf, und als die Pferde plötzlich wieder schneller liefen, nahm sie es wahr. »Wollen wir denn nicht Rast machen? «
»Wozu? «
»Um zu schlafen natürlich. «
»Ich dachte, du schläfst ohnehin schon. «
»Ich meinte uns
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