Zaertlich beginnt die Nacht
Großvater wie einen Heiligen aussehen ließ. Einen Fremden, der in eine Zeit passte, als Männer und Frauen den Bund der Ehe aus reinen Vernunftgründen schlossen, ohne jegliches Gefühl.
„Miss?“ Der Richter lächelte sie entschuldigend an. „Es tut mir schrecklich leid, Miss, aber könnten Sie mir noch einmal Ihren Namen nennen?“
„Natürlich. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Euer Ehren.“ Sie verstand völlig. Eine so unpersönliche Atmosphäre … wie sollte der arme Mann sich da ihren Namen merken?
Als es Zeit wurde, die Ringe zu wechseln, gab es allerdings doch noch eine Überraschung. Der skrupellose Mann, der seinen Einfluss im Rathaus hatte spielen lassen, um diese Trauung in nicht einmal vierundzwanzig Stunden zu ermöglichen, hatte vergessen, einen Trauring zu besorgen.
Beim Eingeständnis dieses Versäumnisses stieg ihm tatsächlich die Schamesröte ins Gesicht, wie Aimee mit bitterem Triumph bemerkte.
„Ich brauche keinen Ring“, sagte sie kühl. So kühl, dass die beiden gelangweilten Trauzeugen aufhorchten und sie neugierig anblickten.
„Natürlich braucht meine Braut einen Ring.“ Nicolo zog sich den Siegelring, den er trug, vom Finger. „Wir werden den hier nehmen.“
Der Ring war ganz offensichtlich alt, das Wappen schon leicht verkratzt, und er war so groß, dass Aimee die Faust ballen musste, damit er ihr nicht vom Finger rutschte.
Gut. Denn die geballte Faust half ihr, nicht laut „Nein!“, zu schreien.
Doch für ein Zurück war es zu spät. In den schlaflosen Stunden der Nacht war sie zu der Überzeugung gekommen, dass eine Heirat mit Nicolo Barbieri der einzig mögliche Weg war. Für ihren Großvater genauso wie für ihr ungeborenes Kind.
Dieses Arrangement könnte funktionieren, dachte sie, während sie auf dem Stuhl vor dem Richter saß und mit leerem Blick aus dem Fenster starrte. Ihr Kind würde den Namen des Vaters tragen. Nicolo bekam die Bank. Ihrem Großvater wurde der letzte Wunsch erfüllt. Alles sehr zivilisiert.
War sie tatsächlich so naiv? Wenn sie doch nur ihren Mund gehalten hätte! Nicolo zu sagen, sie würde ihn heiraten, aber nicht mit ihm schlafen … Da hätte sie auch einem hungrigen Wolf ein saftiges Steak unter die Nase halten können.
Was er nicht haben konnte, wollte er schließlich erst recht.
Aimee hätte das Thema gar nicht ansprechen dürfen. Dennoch … er konnte sie nicht zwingen. Nicolo Barbieri war ein Tyrann, aber er war kein Wilder.
Oder etwa doch?
Oh Himmel, was hatte sie sich nur dabei gedacht?! Was tat sie hier?!
Aimee drehte sich abrupt zu ihm um. „Nicolo, ich …“
„… erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau.“ Mit diesem Lächeln würde der Richter seine Wiederwahl auf jeden Fall gewinnen. „Herzlichen Glückwunsch, Hoheit. Und für Sie natürlich auch, Prinzessin. Sir, Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Nicolo schaute auf sie herunter. In seinen Augen konnte Aimee lesen, dass er genau wusste, was sie hatte sagen wollen. Das, was er ihr ins Ohr flüsterte, als er sich zu ihr beugte, bewies es.
Für jeden unbeteiligten Beobachter mochte es nach einer zärtlichen Liebeserklärung aussehen, doch: „Zu spät, cara “, war alles, was er sagte.
Dann schüttelte Nicolo dem Richter die Hand, bedankte sich bei den Trauzeugen und schlang Aimee den Arm um die Hüfte. „Die Frischverheirateten müssen jetzt erst einmal allein sein.“
Richter und Trauzeugen lächelten höflich.
Aimee dagegen zitterte.
Nicolo nannte dem Taxifahrer die Adresse.
„Kennedy Airport.“
„Was?“ Verwirrt sah Aimee zu Nicolo. „Wieso fahren wir zum Flughafen?“
Er hob eine dunkle Augenbraue. „Hattest du gehofft, wir würden erst in mein Hotel fahren, cara ?“ Ein vielsagendes Lächeln umspielte seinen Mund. „Hast du es so eilig, mit mir allein zu sein?“
Auf diese Art Unterhaltung würde sie sich gar nicht erst einlassen! „Ich habe eine normale Frage gestellt. Kann ich wohl eine normale Antwort bekommen?“
Das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb. „Wir fliegen nach Hause.“
Nach Hause? Aimee blinzelte. Bisher hatten sie nicht darüber geredet, wo sie leben würden. Obwohl … im Grunde hatten sie über gar nichts geredet.
„Dachtest du, wir würden in New York leben?“
Ehrlich gesagt, davon war sie ausgegangen.
„Ich bin in Italien zu Hause“, meinte er ungerührt. „In Rom. Dort liegen mein Haus und mein Firmenhauptquartier. Schau mich nicht so entsetzt an, Aimee. New York ist nicht der Nabel
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