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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ditfurth
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vermutlich, was man Nahkampf nennt.« Dann griff er Wolfensohn direkt an: »Sie haben geholfen, die Diktatur von Suharto [in Indonesien] zu rechtfertigen, und das wird Ihnen die Welt niemals verzeihen.« Der Vorsitzende von Friends of the Earth International legte offen, dass Wolfensohn und seine Kollegen in ihrer Begeisterung für den Bau von Dämmen in der Dritten Welt persönlich dafür verantwortlich seien, dass 400 Leute getötet und 10 Millionen Menschen zwangsumgesiedelt worden waren.
    Auch wenn Walden Bello einmal gemeinsam mit James Wolfensohn auf dem Podium saß, weiß er um die Gefahr solcher »Dialoge«. Weltbank und IWF seien hauptsächlich daran interessiert, die Opposition gegen ihre Projekte zu spalten, zum Beispiel indem sie einige Initiativen »vernünftige NGOs« und militantere »unvernünftige« nennen, schrieb er in einer Nachbetrachtung. 243
    Ende Oktober saßen noch etwa 20 der in Prag festgenommenen IWF- und Weltbankgegner in Haft. Zwei Monate nach den Protestaktionen kam, gegen eine Kaution von 50 000 Euro, der letzte Demonstrant aus einem Prager Gefängnis frei, ein 18-jähriger dänischer Schüler. Er war misshandelt worden und hatte wochenlang in Einzelhaft gesessen. Man warf ihm vor, mit einer Eisenstange auf einen Polizisten eingeschlagen zu haben, was er bestritt. Er sagte, dass er gesehen habe, wie ihm Polizisten Steine in seinen Rucksack steckten, als er am Boden lag.
    * * *
    Juni 2001, EU-Gipfel in Göteborg : Für Kapital und Waren, für Billigarbeitskräfte und für Finanzspekulation gibt es in Europa kaum noch Grenzen. Für die Kritiker der herrschenden Verhältnisse hingegen ständig neue. Für viele Gegner des EU-Gipfels in Göteborg, die aus allen Teilen des Kontinents anreisten, war die Fahrt schon im Heimatland oder an der schwedischen Grenze zu Ende. Die schwedische Regierung setzte kurzerhand das Schengener Abkommen außer Kraft, um die Einreise von Gipfelgegnern zu verhindern. Ihre Busse wurden gestoppt, durchsucht und zur Umkehr gezwungen, Fähren aus Dänemark wurden scharf kontrolliert.
    Man stelle sich einmal vor, was für ein Geschrei ausbräche, wenn auch nur einem Bus mit deutschen Touristen an einer europäischen Grenze die Durchreise verboten werden würde.
    Und wie gut die europäischen Regierungen zusammenarbeiten, sobald es um die Diskriminierung von Oppositionellen geht! Der deutsche Bundesgrenzschutz (BGS) – seit 2005 Bundespolizei (BuPo) –, eine paramilitärische Truppe und Sonderpolizei mit viel zu umfassenden Rechten und Befugnissen, hatte der schwedischen Polizei detaillierte Informationen über sogenannte »bekannte Gewalttäter« zukommen lassen. Das Bundeskriminalamt (BKA) bespitzelte Busse. BKA-Leute reisten nach Göteborg. Es wurden sogar Akten aus Verfahren gegen Linke in Deutschland, die eingestellt worden waren oder mit einem Freispruch geendet hatten, an die schwedischen Behörden weitergeleitet.
    Alles wurde für eine Eskalation vorbereitet. Dass dennoch so viele Menschen, vor allem viele junge, aus allen Ländern nach Göteborg reisten, ließ die europäischen Regierungen bald noch intensiver über eine »gemeinsame Strategie gegen herumreisende Gewalttäter« 244 nachdenken.
    Aber von alldem wussten die Demonstranten praktisch nichts. Zuerst sah es sogar so aus, als ob die schwedischen Behörden tolerant kooperieren wollten, und einige Behörden meinten das auch vermutlich so. Die Stadt Göteborg erlaubte den Gipfelgegnern, bestimmte Schulen als Schlafstätten, Kommunikations- und Konferenzzentren zu nutzen. Die Polizei versprach, sich zurückzuhalten und zum Beispiel keine Hunde und Reiterstaffeln gegen Demonstranten einzusetzen. Kaum hatte aber der Gipfel begonnen, stellte sich heraus, dass die Obrigkeit sich in Wahrheit für eine viertägige Strategie der Provokation, Aggression und Eskalation entschieden hatte.
    Die Hvitfeldtska-Schule gehörte zu den Schulen, die den Demonstranten zur Verfügung gestellt worden waren. Sie war Schlafstätte, zentraler Anlaufpunkt und Informationszentrum. Hier sollten die Workshops stattfinden, und hier arbeitete die »Volxküche Rantanplan« für die Verpflegung der Gipfelgegner. Die Schule war also der wichtigste Teil ihrer Infrastruktur. Erst lange nach den Ereignissen wurde den Organisatoren klar, dassdie Schule eine Falle war. Mitorganisatorin Annika Tigerryd fiel wieder ein, was der Leiter der Göteborger Polizei ihr vor dem Gipfel gesagt hatte: »Du sollst wissen, Tigerryd, immer wenn der Staat

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