Zeit Des Zorns
kommt, an dessen Ende die herrschende Ordnung zerrüttet ist. Auch in seiner möglichen zweiten Amtszeit wird die Armut wachsen und die USA ein kriegführender imperialistischer Staat sein. Auch unter einem demokratischen Präsidenten wird die soziale Frage – sofern die Betroffenen sich ihrem Schicksal nicht ergeben und ihre legitimen Aggressionen statt gegen die Schuldigen ausschließlich gegen sich selbst richten – weiterhin vor allem durch eine autoritäre Sozialverwaltung, Polizei, Justiz und Armee »gelöst« werden.
Um einer drohenden linksoppositionellen Bewegung den Boden unter den Füßen wegzuziehen und um das bürgerliche und rechte Lager noch weiter nach rechts zu verschieben, wurde in den USA die rechtspopulistische Tea Party gegründet, die teilweise rechtsradikal agiert. Sie wird von einem Haufen Milliardäre finanziert. Im Februar 2011 war ich zu einem Streitgespräch mit einer Vertreterin der Tea Party nach Harvard, Massachusetts, eingeladen, es ging um rechtspopulistische Bewegungen in Europa und den USA. Ich traf auf Keli Carender aus Seattle, eine der bekanntesten Aktivistinnen der Tea Party, heute ist sie State Coordinator für acht US-Bundesstaaten. 361 Für die Tea Party ist ein staatliches Gesundheitssystem reinster Kommunismus, also die Hölle. Sie will die Gewerkschaften zerschlagen und am liebsten die totale Steuerfreiheit für Wohlhabende und Reiche durchsetzen. Im Carender-Sprech hört sich das so an: »… capitalism is the only system that protects the individuals rights … capitalism is the only moral system … capitalism is truly the system that allows you to say: power to the people.« 362 Die Milliardäre Charles und David Koch können zufrieden beobachten, wie Tea Partyer für sie z.B. die Rechte der Gewerkschaften schleifen (»power to the people«), nicht nur in Wisconsin. 363
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Einige Fachleute hatten den Weg in die kommende Weltwirtschaftskrise zutreffend analysiert. Dies waren vor allem Marxisten, aber auch kritische bürgerliche Wissenschaftler wie Nouriel Roubini, Professor an der Stern School of Business der New York University. Roubini sagte: »Ich bin kein Genie, ich habe nur richtig hingeschaut.« Er analysierte die Finanzkrisen in Mexiko 1994, Asien 1997 und Argentinien 2000 und fand Indikatoren, die er auf die USA anwandte. 2005 kam er zu dem Ergebnis, dass in den USA eine Rezession bevorstand. Im September 2006 stellte er seine Thesen einem Ökonomenkollegium des Internationalen Währungsfonds vor: In den USA werde der Immobilienmarkt kollabieren, ein Ölschock stehe bevor, das Konsumklima werde einbrechen, Billionen von Dollar an Hypothekenkrediten würden faul werden, das globale Finanzsystem werde erschüttert, Banken und Hedgefonds gingen unter. Und das Ganze im globalen Maßstab.Als er geendet hatte, sagte der Moderator: »Ich denke, wir brauchen jetzt einen starken Drink.« Einige Zuhörer lachten. 364 Auch als Roubini Anfang Januar 2007 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine Krise prognostizierte, machte man sich über den Außenseiter lustig. Einige seiner damaligen Kontrahenten waren Repräsentanten von Finanzinstituten, die inzwischen bankrott gegangen oder vom Staat aufgekauft worden sind. 365
Die Weltwirtschaftskrise hatte längst begonnen, als im Mai 2008 der damalige Deutsche-Bank-Chef Ackermann noch »keine Indizien« für sie sah. 366 Erst Ende 2008 gestand die deutsche Bundesregierung eine Rezession ein. Anfang 2009 plapperten dieselben Mainstreamlinge, die seit Jahrzehnten dem Kapital applaudieren und grenzenlosen Profiten sowie dem deregulierenden Staat das Wort reden, dass die Krise im Sommer 2009 vorbei sein würde. Roubini sagte: »Das Schlimmste steht uns noch bevor.« Neben den USA würden auch Europa, Russland und China »hart« getroffen. 367
Wer wird am unabsehbaren Ende der Weltwirtschaftskrise seine Stellung im Kampf um die rohstoffreichen Regionen der Welt verbessert oder verschlechtert haben?
Zentralasien hat bekanntermaßen keine Meeresanbindung, und auf anderen Routen stehen die Interessen oder Territorien Russlands oder des Irans im Weg. Die USA versuchen auch unter Obama in Afghanistan eine ihnen genehme Regierung zu installieren. Sie haben ein Interesse an stabilen Militärstützpunkten, um mit deren Hilfe Afghanistan zum Korridor für das Öl aus Zentralasien zu machen. Aussagen wie dieser über die USA werden viele Linke in Deutschland zustimmen, aber es fehlt oft das Bewusstsein, selbst in einem
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