Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
mitgehört hatte.
„Er ist weg, Männer haben ihn mitgenommen ... er ist nicht mehr da ...“, sagte Serena leise, als würde sie es erst jetzt begreifen. Sie würde das Tanzen in seinen Augen nicht mehr sehen, vielleicht nie wieder. Ein komisches Gefühl in der Magengegend stieg in ihr auf und krallte sich in ihrem Hals fest, bis jeder Atemzug wehtat. Sie starrte auf den Boden und hoffte, das Gefühl würde weggehen und die Stille würde wiederkommen. Aber es wurde schlimmer, ihre Augen wurden feucht. Überrascht zuckte Serena zusammen, als Laura dort, wo das Wasser hinlief, ihre Lippen drückte. Nur ganz kurz und ganz sanft. Dann lächelte Laura und schaute ihr tief in die Augen, als hätte sie eine Frage und suche in ihnen die Antwort.
Zufrieden nickte sie: „Du bist nicht kalt! Nur sehr , sehr tief!“ Laura schob unbekümmert und ohne wirklich zu verstehen, was sie da gesagt hatte, ihre kleine Hand in Serenas, lehnte sich an sie und so saßen sie eine ganze Weile da. Laura legte ihren kleinen Kopf auf Serenas schmale Schultern und schlief ein, fest an Serena gekuschelt mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Serena betrachtete das seltsame Mädchen im Schlaf, das sich nicht vor ihr scheute, das sie immer noch berührte und mit ihr sprach. Wie ihr Vater. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.
Serena hörte leise Stimmen im Haus.
„Das nächste Mal rufen Sie mich früher, es war beinahe zu spät“, hörte sie Alara sagen.
„Das nächste MAL?“, klirrte eine Frauenstimme, „es wird kein NÄCHSTES Mal ...“ Sie verschluckte den letzten Teil des Satzes.
Wieso zeigte diese Frau keinerlei Regung? Linda Oberson ballte die Hände zu Fäusten und wollte etwas sagen, da hatte Alara die Tür bereits geöffnet und trat hinaus. Die Blicke der beiden Frauen fielen auf die aneinander gekuschelten Mädchen.
„Laura!“, stieß Linda Oberson überrascht und wütend aus. Laura öffnete verschlafen die Augen und blinzelte. Als ihre Mutter sie von Serena wegriss und ins Haus tragen wollte, schrie Laura: „Nein, nein!! Ich will bei Serena bleiben!“ Linda Oberson achtete nicht darauf, trug ihr zappelndes und heulendes Kind ins Haus und schloss mit einem Knall die Tür hinter sich.
Alara schaute auf ihre Tochter herab, als sähe sie sie zum ersten Mal. Serena schaute zu ihrer Mutter hinauf und suchte in ihren Augen etwas, irgendetwas, aber wie schon so oft fand sie nichts. Alaras Blick fiel auf die Wangen des Wesens, das alle ihre Tochter nannten. Sie zeigten noch Spuren , der gerade vergossenen Tränen.
„Kann es sein, dass sie nicht ist wie ich?“, dachte Alara. Wenn sie Mitleid empfinden könnte, hätte sie es wohl in diesem Moment für dieses Wesen empfunden, das Zeugnis all ihres und seines Versagens. Schweigend drehte sie sich um und beschritt den Weg, der sie zu jenem Haus führte, das alle ihr „Zuhause“ nannten. Serena folgte ihr mit einigem Abstand. Alaras Schritte waren langsam und unsicher, als müsste sie alle Kräfte zusammennehmen, um nicht zu fallen. Der Rückweg schien länger als der Hinweg. Wie seltsam, war das nicht immer andersherum? Kurz vor dem Haus, das ihr „Mann“ gebaut hatte, brach Alara zusammen.
Die kleine Serena geriet nicht in Panik. Sie hatte das schon öfter bei ihrer Mutter gesehen. Anstatt jemanden zu rufen, zog sie ihre Mutter die letzten Meter ins Haus. Da sie nicht stark genug war, um sie anzuheben, ließ sie Alara auf dem Boden liegen. Serena holte Decken, legte diese so gut es ging um Alara und bettete ihren Kopf auf ein Kissen. Sie selbst wickelte eine Decke um sich und setzte sich neben ihre Mutter auf den Boden. Sie starrte in das ausdruckslose Gesicht ihrer Mutter und dachte an das bewegte ihres Vaters und Lauras. Mit diesem Gedanken schlief Serena auf dem Boden ein.
…
Mit den Jahren wurde Serena stark genug ihre Mutter ins Bett zu heben. So wie sie es auch heute tat. Es schien ihr, als ob ihre Mutter sich verausgabe, ihre Grenzen nicht akzeptierte, sie nicht kannte oder einfach nicht spürte. Serena hatte es schon viele Male beobachtet und seit jener Nacht die Rolle ihres Vaters übernommen und Alara gepflegt. Wie für andere Kinder die Hausaufgaben oder die Hausarbeit war dies Teil ihres Alltages geworden. Sie beklagte sich nicht und sie bekam keinen Dank.
K INDHEITSERINNERUNGEN
Serena lebte in den Tag hinein, ohne sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Sie hatte keine Träume, keine Ziele. Sie lebte einfach. Serena
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