ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Bekennerschreiben: »Das ist die Strafe dafür, dass ich ein Spion war und geglaubt habe, die SEDENA [das mexikanische Verteidigungsministerium] würde mich schützen.« Der Brief war unterzeichnet mit FEZ, Sondereinheit Zetas.
Die Brutalität der Zetas kennt keine Grenzen. An den Brücken der Städte baumeln Leichen, am helllichten Tag und vor den Augen der Kinder. Enthauptete und zerstückelte Körper werden neben Müllcontainern oder im Straßengraben gefunden, oft mit heruntergelassener Hose, eine letzte Demütigung. Auf dem Land werden Massengräber, narcofosas, mit Dutzenden Leichen entdeckt. Die Städte sind zum Kriegsschauplatz geworden, und ganz Mexiko kennt nur einen Verhaltenskodex: die Gewalt.
Die Gewalt. Man kommt zwangsläufig immer wieder darauf zurück. Ein Wort, das man mit Instinkt, mit Primitivität gleichsetzt, aber wie die Kaibiles haben sich auch die Zetas die Gewalt systematisch antrainiert. Rosalfo Reta war einer ihrer
Schüler. Geboren in Texas mit dem Traum, Superman zu werden, landet Rosalfo dreizehnjährig in einem militärischen Ausbildungslager der Zetas auf einer Ranch im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas. Am Anfang ist es nur ein Spiel.
»Deine Superwaffe wird der Laser sein.«
»Aber Superman benutzt keinen Laser ...«
»Macht nichts. Mit dem Laser zielst du, drückst ab, und alle sind verschwunden.«
Er bekommt seine erste Pistole, und nach sechs Monaten Training ist Rosalfo bereit für den Loyalitätsbeweis: In einem Haus des Kartells erwartet ihn ein an einen Stuhl gefesselter Mann. Rosalfo weiß nichts über diesen Mann, der aus einem ihm unbekannten Grund zum Tode verurteilt wurde. Rosalfo stellt keine Fragen, man drückt ihm eine Pistole in die Hand, Kaliber .38, dieselbe, mit der er sechs Monate lang auf Pappfiguren geschossen hat. Er muss nur den Abzug betätigen. Das Adrenalin, das ihm ins Blut schießt, elektrisiert ihn. Wie Superman fühlt sich auch Rosalfo unbesiegbar. Er kann fliegen, er kann die Projektile aufhalten, er kann durch Mauern hindurchsehen. Er kann töten. »Ich habe mich für Superman gehalten«, wird er nach seiner Verhaftung in Laredo, Texas, vor Gericht aussagen. »Es machte mir Spaß, diesen Menschen zu töten. Danach wollten sie die Pistole zurück, aber es war, als würde man einem Kind sein Bonbon wegnehmen.«
Ein paar Jahre später kommt Rosalfo mit zwei Gleichaltrigen, Gabriel und Jessie, in das Nimmerland der Zetas. Die schöne Wohnung, die das Kartell in Laredo für sie gemietet hat, hält alle möglichen Bonbons für sie bereit: unter anderem eine Spielkonsole, verbunden mit einem Plasmabildschirm. Anfangs geht es darum, LCD-Männchen umzulegen. Die jungen Männer verbringen ihre Tage mit einem Joypad in der Hand am Steuer
eines simulierten Autos, das durch fiktive amerikanische Städte flitzt. In dieser Wirklichkeit kannst du machen, was du willst. Du kannst töten, ohne Konsequenzen und ohne Reue. Schlimmstenfalls bekommst du rote Augen. Für Rosalfo und seine beiden Freunde tritt die Realität des Spiels an die Stelle des wirklichen Lebens. Alles wird möglich, und die Angst verflüchtigt sich. Los Ninos Zetas sind bereit. Die Bedingungen stehen: 500 Dollar pro Woche für Beschattungen und kleinere Jobs, aber das große Geld gibt es für Spezialaufträge. Menschen sind zu beseitigen, aber es reicht nicht, sie einfach nur zu töten. Es muss ihnen die Kehle durchgeschnitten werden. In solchen Fällen ist der Lohn höher, und es gibt einen Bonus von 50 000 Dollar. Vier Jahre und zwanzig Morde später wird Rosalfo verhaftet. Beim Verhör zeigt er weder Angst noch Reue. Nur als er von seinem Auftrag in San Nicolas de los Garza spricht, huscht ein Schatten über das Gesicht des inzwischen Siebzehnjährigen. Er hatte sein Ziel verfehlt und ein Blutbad angerichtet, bei dem vier Menschen starben und fünfundzwanzig verwundet wurden, von denen keiner mit der organisierten Kriminalität zu tun hatte. »Ich habe einen Fehler gemacht«, sagt Rosalfo, »und dafür werden sie mich bezahlen lassen.« »Sie« - das sind seine ehemaligen Ausbilder, die Zetas.
2002 wird Arturo Guzman Decena, »El Z 1«, in einem Restaurant in Matamoros ermordet. Ein Blumenkranz auf seinem Grab trägt die Aufschrift: »Du wirst immer in unserem Herzen bleiben. Deine Familie, Los Zetas«. Sein Nachfolger wird Heriberto Lazcano Lazcano, genannt »El Lazca«, geboren am 25. Dezember 1974. Auch er kommt aus den Spezialeinheiten der Armee und wird von den Behörden
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