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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Kugelschreiber im Auge bei Fall zwei“, ergänzte Schmaus, als hätte sie meine Gedanken erraten. Schau einer an, die Schmaus, ein strebsames Wesen, dachte ich, das seine Hausaufgaben gemacht hat.
    Michelin, der bis dahin beharrlich geschwiegen hatte, brachte sich ins Rennen. „Sein Körper war Teil einer Inszenierung, wenn ihr mich fragt. Wie er im Lehrersessel platziert war, und dazu die Hände, die über dem Klassenbuch gefaltet waren. Man könnte fast meinen, er sei im Sitzen gestorben.“ Wie beim Zabelnig in der Portierloge im Paulustor, schoss es mir ein, der in seiner Reglosigkeit aussieht, als säße er den ganzen Tag im Sterben, wären da nicht der Knopf für das automatische Tor und der Schokoladekuchen, die es wechselweise mit der Linken und Rechten zu bedienen gilt. „Und dazu die Namen im Klassenbuch. Von Almer bis Hanser waren sie ersichtlich, der Rest wurde von den gefalteten Händen verdeckt. Perfekt abgestimmt mit jenen auf der Tafel.“
    „Zur Erläuterung, Kollegen“, sagte ich. „An der Tafel waren, wenn ich mich nicht verzählt habe, man weiß ja nie, zehn Namen untereinander aufgelistet. In akkurater Handschrift. Es beginnt bei Almer und endet mit Hanser. Womöglich die Klaue vom alten Geier, aber da fehlt uns noch eine Schriftprobe. Und daneben stand: LIBER kein LATINUS, das erste und das letzte Wort in Großbuchstaben. Wie es aussieht, die Handschrift unseres Mörders. Ob der Geier, wenn er es denn war, die Namen freiwillig hingeschrieben hat oder unter Zwang, ist unbekannt. Auch sind uns die näheren Umstände des Zusammentreffens von Opfer und Mörder unklar.“
    „Nicht ganz“, rief Stillhofer, die Lippen zum Kussmund geformt und unter leisem Zungenschnalzen mit dem Zeigefinger der Linken hektisch hin und her wischend wie Scheibenwischer im Regensturzguss. „Ich war bei der Witwe Geier. Vorsorglich mit einem Doktor im Handgepäck. Aber die alte Dame war gefasster als vermutet.“
    „Hat sie sich denn keine . . .“
    „Natürlich hat sie sich Sorgen gemacht“, unterbrach er mich. „Aber erst kurz bevor er gefunden wurde. Ein Kollege aus der Funkleitzentrale hat die alte Dame gegen Dreiviertelacht am Rohr gehabt. Bis dahin hat sie im Bett gelegen. Schlaftabletten, vom Hausarzt verordnet. Gegen die senile Bettflucht, bei ihr besonders stark ausgeprägt, wie sie sagt.“
    Ha, senile Bettflucht, dachte ich, schon wieder ein echter Klassiker. „Und?“
    „Ihr Mann bekam kürzlich einen Anruf. Ein ehemaliger Schüler, wie er gesagt hat. Namen wusste sie keinen. Nur so viel, dass der Anrufer Klassensprecher war. Und ein Maturatreffen organisieren wollte. Deshalb ging der Alte am Sonntagabend ins Keplergymnasium. Vereinbart war um zehn Uhr. Laut Klassenbuch müsste das ein gewisser Alexander Weinberger sein. Wer kann das übernehmen?“
    Die diebische Räuberecke konnte.
    „Gibt es DNS-taugliche Spuren im Klassenzimmer, Willi?“, wandte ich mich an Michelin.
    „In der Theorie: ja“, gab Fauler zurück. „Wir haben vorsorglich allen Staub rund um den Lehrerkatheder mit dem Mikrosauger konserviert. Aber nachdem der Notarzt und sein Team durchgetrampelt sind, habe ich nur wenig Hoffnung.“
    „Okay. Weiter im Kontext“, sagte ich. „Bleiben wir noch bei Martin Hanser. Was wissen wir über ihn, sein Privatleben, Freunde, Kontakte zur Unterwelt, Zweitwohnsitz et cetera?“ „Kein Zweitwohnsitz, soweit bekannt“, meldete sich das Sprachrohr des sittlichen Wirtschaftsbetruges erneut zur Wort. „Null Kontakte zur Unterwelt. Bei Freunden sieht es ebenfalls mager aus. Seit der Trennung von seiner langjährigen Partnerin vor ein paar Jahren hat er nur noch für die Arbeit gelebt. Wir haben seine Ex über Arbeitskollegen aufgetrieben. Sie hat uns ein paar Namen aus vergangenen Tagen genannt. Der eine ist ein verkappter Achtundsechziger. Völlig verkifft. Hat vom Hanser seit Jahren nix gehört. Dafür aber jetzt von der Drogenfahndung, hahaha. Ein anderer ist ein Studienkollege und jetzt Professor an der Juridischen. Der hat sich mit Martin Hanser in unregelmäßigen Abständen getroffen. Zuletzt immer seltener. Sie hatten sich . . .“ Er blätterte in seinen Unterlagen. „. . .,unsere Ansichten waren mehr und mehr disloziert‘, hat er gesagt, was auch immer das heißen soll.“
    „Dislozieren heißt . . .“, blendete Bildungsbürger Kurz sich ein, „. . . das heißt so viel wie, nun ja, also Ansichten und disloziert, wenn die Meinungen. . .“
    „Danke, Kurt“, sagte ich.

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