Zurueck ins Glueck
White. Er konnte ja nicht ahnen, dass du ein Teil einer ziemlich düsteren Phase seines Lebens bist. Trotzdem... so einen Brief zu schreiben, ist ein starkes Stück.«
»Er ist nicht mein Vater!«
»Sam? Nur weil er es damals abgeleugnet hat, heißt das noch lange nicht, dass das, was du in den letzten Tagen herausgefunden hast, auf einmal nicht mehr stimmt. Sowohl er als auch deine Mutter haben dir bestätigt, dass er dein leiblicher Vater ist«, gab Wendy zu bedenken. »Dieser Brief wurde vor vielen Jahren geschrieben. Wer weiß, was damals in seinem Kopf vorgegangen ist? Warum stellst du ihn nicht zur Rede? Zeig ihm den Brief und konfrontier ihn mit all seinen Lügen. Männer! Arschlöcher sind sie, alle miteinander!«
»Du hast mich falsch verstanden. Selbst wenn er der Mann ist, der meine Mutter geschwängert hat, selbst wenn sein Blut in meinen Adern fließt, macht ihn das noch lange nicht zu meinem Vater. Ich lege keinen Wert darauf, dass ein Mann, der meiner Mutter eine Abtreibung vorgeschlagen hat, mich jetzt, wo ich erwachsen bin, mit einem Mal adoptieren will. Das ist einfach widerlich!
Der Scheißkerl wollte mir sogar seine Gracias-Aktien überschreiben. Jetzt verstehe ich auch, warum – er wollte sich loskaufen. Das sollte eine späte Wiedergutmachung sein.«
»Mach jetzt keinen Fehler, den du später bereust, Sam. Warum solltest du auf diese Wiedergutmachung, wie du es nennst, verzichten? Nimm das Geld und renn«, riet Wendy sachlich, woraufhin Samantha sie böse anfunkelte.
»Bist du verrückt? Zur Hölle mit dem Mistkerl! Er hat Mum geschwängert und wollte dann, dass sie das Kind abtreiben lässt. Dieses Kind war ich, Wendy! Wenn er sich durchgesetzt hätte, gäbe es mich heute gar nicht. Und als ich dann fünfunddreißig Jahre später wieder in sein Leben getreten bin, hat er das unschuldige Opfer der Umstände gespielt. Wendy, wir haben letzten Montag noch ganz freundschaftlich zusammengesessen und eine Flasche Whiskey geleert. Er ist ein eiskalter, berechnender...«
»Schon gut, schon gut, ich hab’s kapiert. Und was willst du jetzt machen?«
»Meinen wirklichen Vater suchen.«
»Das ist doch bitte nicht dein Ernst.« Wendy musterte ihre Freundin so besorgt, als hielte sie sie jetzt endgültig für übergeschnappt.
»Mein voller Ernst. Ich will den Mann wiederfinden, der mich auf den Knien geschaukelt und mir das Zählen und das Alphabet beigebracht hat. Er ist zwar schon lange kein Teil meines Lebens mehr, aber trotzdem ist und bleibt er derjenige, der unter meinem Bett nach Monstern gesucht und mich an meinem ersten Schultag zur Schule gebracht hat. Mum war betrunken.«
Wendy seufzte. Manchmal vergaß sie, wie viel Samantha in ihrem Leben schon durchgemacht hatte. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen, dachte sie bedrückt. »Was genau hast du vor?«
Samantha sah ihre Mitbewohnerin mit leuchtenden Augen an.
»Ich will Pablo Garcia finden, Wendy. Ich fahre nach Spanien.«
Gillian kam Freitagnacht erst nach zwei Uhr nach Hause – völlig nüchtern, sie hatte keinen Tropfen getrunken. Ein tödlich langweiliger Abend lag hinter ihr, vor dem sie sich nicht hatte drücken können; es gehörte zu ihrem Job, Klienten zu bewirten und Interesse an ihnen zu heucheln. Sie und ihr Team hatten eine weitere fettarme Buttersorte auf dem Markt eingeführt, und dank einer spritzigen Werbekampagne, für die sie die alleinige Verantwortung trug, hatte Lovely Low die für September anvisierten Verkaufszahlen fast verdoppeln können. Ihre Firma hatte daraufhin die Vorstandsmitglieder des Lovely-Low-Konzerns in ein Dubliner Nobelrestaurant eingeladen, um den Erfolg zu feiern. Natürlich hatten sich die hohen Herren allesamt volllaufen lassen und mit ihr und den Mädchen ihres Teams schamlos geflirtet. Und wie üblich hatten sie darauf eingehen müssen, um die Kunden nicht vor den Kopf zu stoßen, und hatten zu fortgeschrittener Stunde mit zunehmend aufdringlicheren Annäherungsversuchen zu kämpfen gehabt. Gillian seufzte schwer. Sie wurde allmählich zu alt für diese Spielchen. Das Einzige, was sie mit den Strapazen des Abends versöhnte, war der fette Bonus, den sie eingestrichen hatte. Zehn Riesen mal so eben
nebenbei – nicht schlecht. Der Gedanke heiterte sie etwas auf.
Im Apartment fand sie als Erstes den Zettel, den Wendy ihr hingelegt hatte. Dein Essen habe ich in den Müll gekippt. Wenn du nächstes Mal nicht nach Hause kommst, sag mir bitte Bescheid und hinterlass nicht einfach nur
Weitere Kostenlose Bücher